Ein Mann, ein Schwert und eine Welt am Abgrund...
Xenoblade Chronicles ist eines dieser Spiele die mir oft empfohlen wurden, aber hauptsächlich aufgrund eines Sequels, dass noch umso besser sein sollte. Doch im Fall dieses Sequels (Xenoblade Chronicles 2) gehen die Meinungen durchaus stark auseinander, da das Kampf- und Navigationssystem eine große Hürde darstellen. Von diesen "technischen" Problemen war in Xenoblade Chronicles 1(?) noch nichts zu spüren, weshalb ich Ende 2023 einen ziemlich sauberen Einstieg in das Spiel finden konnte. Fast ausschließlich auf der Switch Lite gespielt habe ich rund 70 Stunden mit der Hauptstory verbracht, aber sicher nicht nur weil mich das Monado an ein Lichtschwert oder eher ein Machtschwert/force saber aus den Dawn of the Jedi-Comics erinnert? Eigentlich nicht, denn empfohlen wurde mir Xenoblade als eines der besten Spiele auf der Nintendo Switch, mit Gefährten, Gefährtendialogen, einer wendungsreichen Story und einem quasi stressreduzierten Kampfsystem.
Das Kampfsystem von Xenoblade Chronicles lässt sich für meine Begriffe mit der Formel "Auto-Angriffe und Spezialangriffe" beschreiben. Der Punkt ist halt, dass der jeweilige Spieler-Charakter tatsächlich automatisch angreift, man also keinen Button für den ewig gleichen Auto-Angriff spammen muss, bis die Cooldowns für die Spezialangriffe wieder auf 0 sind. Spaßig wird es, weil man die Spezialangriffe selbst auslösen muss und später auch noch Kombos und Kettenangriffe hinzukommen, bei denen man durchaus auch auf kurze Quick-Time-Events/button prompts reagieren muss. Man hat natürlich die freie Wahl, wie man sein Team zusammenstellen will und sogar, für mich etwas unerwartet, wen man als Team-Leader und somit als spielbaren Charakter einsetzen will. So kann man durchaus mit dem eigentlichen Protagonisten (Shulk) als Sidekick durch das Spiel laufen. Dieser Umstand, dass man Partys ganz ohne den Protagonisten bauen kann und dass es auch "Gefährten-Events", also an besonderen Orten triggerbare Dialoge zwischen zwei Charakteren, ohne den Protagonisten gibt waren für mich als alten Mass Effect-Fan schon etwas überraschend. Tatsächlich gibt es eine eigene Beziehungs-Landkarte, auf der man tracken kann wie welche Gefährten zueinander stehen.
Man kann Xenoblade Chronicles durchaus als Geschichte eines Ensemble Casts beschreiben, wobei ich allerdings doch finde, dass einige Castmitglieder vergleichsweise kurz kommen und für mich nicht für die Beschreibung einer unter vielen Protagonisten in Frage kämen. Neben dem Träger des mythischen Monado (das ich als das Xenoblade beschreiben würde) hat man in der Crew auch andere "Helden" wie den ehemaligen Träger des Monado, Dunban, dessen fehlende Eignung dafür, dass Monado einzusetzen schließlich seinen Arm verkrüpelt zu haben scheint. Anders als ein Jaime Lannister kämpft Dunban schließlich aber auch mit dem anderen Arm noch gut genug, um sich selbst ohne Monado als einer der besten DD des Spiels zu etablieren. Und dann ist da auch der designierte "Heropon" Riki, ein Nopon der von seinem Dorfältesten aufgrund angeblicher Visionen auserwählt wurde, das Dorf und die Welt des Bionis zu beschützen. Faktisch muss Riki aber vor allem seine Familie ernähren und damit diese dem Dorf nicht zu schwer zur Last fällt wurde er vom Ältesten gewissermaßen in die Rolle des Helden gedrängt. Weder Dunban, noch Riki kommen jedoch öfter in den Genuss des Rampenlichts, der einzige Charakter den ich als Co-Protagonistin einschätzen würde wäre die High Entia Melia, da man diese in einigen ihrer Solo-Passagen als Charakter steuern kann. Und Melias Backstory nimmt auch am meisten Platz ein, zumindest verglichen mit anderen Sidekicks. Kein Wunder also, dass der DLC ihr und Shulk gewidmet ist, ohne den Rest der Crew.
Xenoblade ist ein JRPG und das schreckt durchaus einige Spieler ab, genauso wie wohl das Kampsystem. Zur Verteidigung des Spiels kann ich an dieser Stelle nur erwähnen, dass man es durchaus gut auf Englisch spielen kann (mit britischen Sprechern und nicht einmal den "üblichen Verdächtigen" aus amerikanischen Synchronstudios). Die verschiedenen Akzente und eher weniger bekannten Stimmen verleihen dem Spiel einen gewissen Charme und die Open World läuft auf dem Handheld durchaus beeindruckend und für meinen Geschmack sogar ohne erinnerungswürdige Leistungseinbrüche. Der wie auch immer geartete "Anime-Faktor" hält sich meiner Meinung nach in Grenzen, es ist aber durchaus ein Fantasy-RPG mit SciFi-Elementen. Shulk ist kein Übermensch ist und die Power of Friendship hilft ihm genauso wenig aus der Patsche, wie eine Super Sayajin-Transformation. Als Held der Geschichte muss Shulk überhaupt erst seinen Weg gehen, denn was als Rachefeldzug gegen die zerstörerischen Mechon beginnt, entwickelt sich in späteren Kapiteln zu einem gänzlich anderen Konflikt. Für mich sind diese Wendungen eine der großen Stärken von Xenoblade Chronicles, auch wenn sie etwas zu textbuchartig in der Form von Cliffhangern am Ende der jeweiligen Kapitel präsentiert werden. Shulks Wunsch nach Rache für die Opfer des Mechon-Angriffs wird ihn nicht bis ins Finale tragen und auch die Rolle der meisten Antagonisten wird man im Spielverlauf zu hinterfragen beginnen. Und das in einem Spiel mit einem Gefährten wie Riki, der aussieht wie ein mutiertes Küken.
Das Finale des Spiels hat mich durchaus an ein bestimmtes Persona-Spiel erinnert und einige der größeren Reveals haben dem Spiel in meinen Augen am Ende trotz gewisser Gefahren den Plot zu ruinieren, sehr gut geholfen. Man muss ja auch bedenken, dass die gesamte Handlung auf zwei Titanen stattfindet, die nach ihrem epischen Duell schlichtweg erstart sind und nun wie Inseln mit Gebirgszügen und verschiedenen Biomen aus einer endlosen See heraus ragen. Die Welt von Xenoblade Chronicles wirkt da vielleicht etwas klein, aber die Open World ist durchaus groß und das world building ist sehr gut gelungen. Am Ende waren für mich kaum noch Fragen offen, außer wie es weiter gehen wird.
Xenoblade Chronicles 2 ist da schon etwas anders, aber ich bin mit dem Sequel auch noch lange nicht durch. Primär unterscheiden sich die beiden Spiele durch die Änderungen die Teil 2 an der Formel gemacht hat. Das Kampfsystem wird etwa erst nach 20 Stunden wieder spaßig und die Navigationstools sind fast völlig unbrauchbar, was mit einer verkomplizierten Menüführung kombiniert wurde. So großartig mir das Sequel angepriesen wurde, vom Komfortfaktor her finde ich Teil 1 da deutlich besser. Und wer opfert schon 20 Stunden, nur um sich dann an ein defektes Navigationssystem gewöhnt zu haben und langsam Skills zu bekommen, die das Kampfsystem aufwerten. Zum Vergleich, in Xenoblade 2 hat man nur 3 Spezialangriffe zur Verfügung im Gegensatz zu einer ganzen Leiste. ABER man bekommt die Möglichkeit bis zu 3 Blades mit jeweils 3 verschiedenen Spezialangriffen mit sich herumzutragen. Der Protagonist Rex bekommt sogar die Option ein viertes Blade im Kampf zu nutzen, sodass man auf 9-12 Spezialangriffe kommt, was dann durchaus vergleichbar mit Xenoblade 1 wird. Es dauert nur bis man soweit ist bzw. entdeckt wie das Kampfsystem funktioniert. Und wie gesagt, der Minimap und dem Kompass kann man in Xenoblade 2 nicht vertrauen. Punkte auf der Karte zu markieren und dort hin geleitet zu werden, darauf muss man im Sequel verzichten. Dass der Kompass meistens in die Irre führt liegt aber auch daran, dass Xenoblade 2 mehr Vertikalität aufweist, ergo man kann auch 20 Meter über oder unter dem Questmarker stehen und muss erst einmal herausfinden, wie man in einen Tunnel oder auf einen Baumkronenweg kommen kann. Storytechnisch kann ich in Kapitel 5 noch nicht zu viele Vergleiche ziehen, außer, dass Xenoblade 2 (bisher) etwas weniger Cliffhanger, dafür aber mehr Teaser enthält. Ich vermisse im Sequel aber vor allem Riki, diesen vermeintlichen comedic relief, hinter dem aber deutlich mehr steckt.