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Assassins Creed Shadows: Ubisofts Versöhnungsangebot

Fast hätte ich es mir nicht gekauft, obwohl ich es lange Zeit auf meiner Wunschliste hatte...

Wir leben in wilden Zeiten, denn vor kurzem war Ubisoft-Bashing noch ein lustiger Volkssport unter Gamern. Das hatte gute Gründe, denn Ubisofts Führungsriege schien sich seiner überschwänglichen Liebesbotschaften an Games as a Service nicht zu schämen. Die ganze Problematik kochte aber mit der Abschaltung des Racing Games The Crew über und führte zu Reviewbombing und der Petition Stop Killing Games. All das nach dem gewaltigen Erfolg von Assassins Creed Valhalla. Ubisoft musste sogar zurückrudern und ließ sich das Versprechen abringen, man würde The Crew 2 und dessen Sequel The Crew Motorfest einen Offlinemodus spendieren... mit unbekanntem Releasedatum. Viel Live Service Kram, mauer DLC, Probleme mit den Flaggschifftiteln und die auch oft kritisierte Unternehmensbeteiligung des chinesischen Konzerns Tencent ließen Ubi als neuen Gaming-Prügelknaben dastehen, so wie einst EA. Aber 2025 sorgen die großen starken USA mit ihrer Zoll- und Außenpolitik für globale Verwerfungen. Gaming wird aller Voraussicht nach teurer und sei es nur, um von den US-Zöllen zu profitieren oder deren Schaden auszugleichen. Plötzlich ist die F-35 nicht mehr so interessant und es tut auch eine Dassault Rafale... Frankreich als einst widerwilliges NATO-Mitglied steht neuerdings hoch im Kurs und da verzeiht man sogar dem europäischen Ubisoft so manchen Schnitzer, um sich nicht mit von der US-Politik belasteten Produkten beschäftigen zu müssen. Wenn plötzlich die Frage im Raum steht, wie es mit amerikanischer Hardware weiter geht, wenn einem diese nicht mehr verkauft oder gewartet  und diese ohne Softwareupdates einfach unbrauchbar wird, dann glaubt man es geht um Gaming, nicht um das Militär. Nun stellt man sich ähnliche Fragen zu Millionen Dollar teurem Kriegsgerät wie zu Spielekonsolen. Was wenn uns der Verkäufer aus politischen Gründen einfach das Nutzungsrecht entzieht und die Software abdreht? Dann wird die Xbox zum teuren Staubfänger. Mit erzwungener Onlinefunktionalität nähert sich die Spieleindustrie  dem Punkt, wo es wahrscheinlich wird, dass Hardware praktisch vom Netz genommen werden kann, weil sie jemand für obsolet erklärt hat und diesem jemand kann Konsumentenschutz oder die EU-Rechtssprechung ja egal sein, wenn er auf diese internationalen Beziehungen keinen Wert legt. Ubisoft hat noch keine großen Bedenken ausgeräumt, aber man ist als europäisches Unternehmen in der neuen politischen Lage wohl auch gezwungen sich anzupassen. Es wird zudem noch spannend zu sehen, ob und wie Ubisofts kanadisch-französische Wurzeln den Umgang des Konzerns mit den unfreundlichen Marktbedingungen in den USA beeinflussen werden.

 

Antiamerikanismus ist in der gegenwärtigen Situation sicher der billigste Weg, um aus der Lage Kapital zu schlagen. Ubisoft könnte auf diesen Zug aufspringen oder auch etwas verdeckter vorgehen. Die Drohgebärden der USA gegenüber der Ukraine, Grönland und Kanada sind Imperialismus und wirkt sehr geschichtsvergessen, wenn man den Umgang der USA mit auszubeutenden Ressourcen und Ureinwohner bedenkt. Die Aufarbeitung der unschönen Aspekte kolonialer und imperialer Bestrebungen ist in Europa und Kanada nichts was man Jahrzehnte verschlafen hat. Ubisoft müsste nur sein Profil schärfen, indem man seine Künstler etwas kreativer diese Stimmungen und Erfahrungen einfangen lässt. Virtue signaling, aber mit Spitzen gegen die gegenwärtige US-Politik.

 

Da passt sogar das mittelalterliche Japan ins Bild, das Land das Mongolen und christlichen Missionaren, samt den europäischen Kolonialmächten getrotzt hat. Wenn auch oft mit mehr Glück oder göttlichen Beistand als echten Taten. Die versuchte Invasion durch die Mongolen lässt sich sogar als Triumph über China betrachten, da es sich bei "den Mongolen" um das Heer Kublai Khans gandelte, der schon als Kaiser von China herrschte und seine Invasionsflotten in China und Korea bauen und bemannen ließ. Assassins Creed Shadows ist jedoch kein Ghost of Tsushima und vermeidet so auch das Minenfeld moderner japanisch-chinesischer Beziehungen, zumal Ubisoft ja mit dem halbstaatlichen Tencent einen schon sehr auf die Parteilinie bedachten Investor im Boot hat. In ACS sind es allerdings die Portugiesen, welche die Fakel der kolonialen Ambitionen tragen müssen und so überbordend mächtig sind sie im vom Bürgerkrieg zerrissenen feudalen Japan auch nicht. Die gewählte Periode der japanischen Geschichte ist sicherlich die populärste und gleichzeitig wahrscheinlich die im Westen bekannteste, vielleicht auch weil es für Jahrhunderte die letzte Phase war, in der Japan für westliche Einflüsse offen war. So wie andere Assassins Creeds auch, behandelt ACS jedoch nicht die ganze Periode, was durchaus Schade sein kann. AC Origins endete etwa mit Cäsars Ermordung, aber ganz ohne Marcus Antonius und Kleopatras Zusammenarbeit gegen den späteren Kaiser Augustus anzugreifen und AC Odyssey beschäftigte sich auch nur mit dem Anbruch des Peleponnesischen Krieges, nicht jedoch mit dessen Auswirkungen im westlichen oder östlichen Teil der griechischen Welt (Sizilien und Kleinasien). Wer mehr über diese Periode der japanischen Geschichte wissen will muss daher meist zu Dokumentationen greifen. Über das Ende des Sengoku Jidai und westliche Machtspiele in Japan kann man sich jedoch auch in James Clavells (wenn auch fiktiven) Epochen-Roman Shogun informieren, der zudem unter dem Titel Shogun jüngst eine Serienadaption auf FX erhielt (eine der Tochterfirmen von Disney, daher gibt es die Serie auch auf Disney+).

 

Dass Assassins Creed Fiktion ist, obwohl es mit historischen Fakten spielt ist eigentlich nichts neues, wird in der aufgeheizten Debatte um Anti-Yaskue-Shitstorms oder generellem Ubisoft-Bashing gerne verdrängt. In einer Welt mit Ancient Aliens wie den Isu und deren Hightech-Artefakten ist historische Authentizität auch eher Beiwerk.

 

ACS hat mit Naoe und Yasuke ein interessantes Doppelgespann gewählt, zwischen dem man gameplaytechnisch auch fast jederzeit wechseln kann (außerhalb von kritischen Missionen und Gebieten natürlich). Die eine hat ihren Vater an die Templer verloren, derr andere seine Mutter. Beiden gemein ist, dass sie sich ihres Weges unsicher sind und trotz ihrer persönlichen Erfolge doch nur wie das gemeine Volk in einem Game of Thrones agieren können. Yasuke wurde vielleicht zum Samurai gemacht, aber ohne einen Clan oder eine Hausmacht ist er auch nur einer von unzähligen Kriegern, die einst im Dienste von Oda Nobunaga standen. Sich dessen Nachfolger Hideyoshi zu verpflichten macht gäbe Yasuke zwar vielleicht wieder Status, aber seine Loyalität galt eben doch nur Nobunaga, der ihn aus der Sklaverei "befreite" und wie einen Samurai ausbilden ließ. Ein herrenlos gewordener Söldner, also ein Ronin, mehr ist Yasuke nun auch nicht - wieso also hier einen Angriff auf ein Weltbild sehen? Aus fremden Ländern stammende "Abenteurer" gab es schon immer und ob man sie wegen ihrer kriegerischen Dienste nun Söldner, Soldaten oder Krieger nennt macht kaum einen Unterschied. Die Geschichte hat Yasuke nach seiner Gefangennahme nach Oda Nobunagas Ermordung vielleicht vergessen und dass er in den Kampfkünsten und kulturellen Gepflogenheiten der Samurai als Klasse unterwiesen war ist nicht gesichert. Die Sengoku Jidai-Periode hat aber auch zum Aufstieg eines Toyotomi Hideyoshi beigetragen, der selbst vom Sohn eines einfachen Soldaten zum Reichseiniger und Nachfolger Nobunagas aufstieg. Fairness ist in der Debatte um Yasuke wohl nicht erwünscht, sonst müsste man sich auch fragen, ob denn Nobunagas Soldaten wie Hideyoshis Vater auch "Samurai" waren und wo die "Adelspatente" von solchen Aufsteigern zu finden sind. Ich finde die implizierte Überzeugung mancher, dass durch Krisen und Kriege dominierte Epochen lückenlos dokumentiert sein müssen fern jeder Realität. Vielleicht liegt es nur an falschen Vorstellungen oder einer der negativen Auswirkungen der Digitalisierung, dass man glaubt die Vergangenheit sei genauso einfach via Google durchsuchbar wie die Gegenwart. In unseren Breiten würden die meisten schon an alter Kurrentschrift scheitern, denn selbst wenn man Archive digitalisiert hat, so sind deren Inhalte nur sehr selten für moderne Nutzer "übersetzt" worden. Und was über Jahrhunderte erhalten blieb ist auch eine Frage, mit der sich die Mehrheit wohl erst gar nicht beschäftigen möchte. Mir hat die Yasuke-Debatte 2025 nur vor Augen geführt, wie mit Informationen umgegangen wird und mir graust vor den Entwicklungen die Dr. Google wohl angestoßen hat.

 

Die Story von Assassins Creed Shadows habe ich primär durch den Immersive Mode erlebt, also mit der vermeintlichen Originalsprachausgabe, bei der jeder in seiner Muttersprache reden sollte. Trotzdem gibt es Szenen in den sich mancher Übeltäter doch lieber auf Japanisch mit Yasuke unterhält, obwohl es zumindest einem der beiden leichter fallen müsste sich auf Portugiesisch zu verständigen. Keine Spoiler an dieser Stelle. Nach den Yakuza- und Like a Dragon-Spielen komme ich damit klar, dass ich die Untertitel lesen muss und nur einige Wörter auch ohne diese verstehe. Einige Monate mit Duolingo haben mir da auch nur bedingt geholfen.

 

Naoes und Yasukes Story erinnerte mich durchaus an einige der besseren japanischen Filme und Serien, die ich auf der Japan-Welle so gesehen habe. Die Geschichte weckte durchaus Emotionen in mir, aber ACS ist doch ein Spiel mit viel Side Content. Man könnte durchaus stur bei der Main Quest bleiben, aber auch da ist man gezwungen durch das Land zu reisen und einige Stunden herumzuschleichen. Wenn man Story ohne Unterbrechungen braucht oder will, dann wird man von ACS etwas enttäuscht werden. Und ich muss auch zugeben, dass ich mich oft genug von Side Quests weit von den Main Quests weglocken ließ. Zeitweise wirkt es so als ob man mit Attentatszielen regelrecht überschüttet wird und auch wenn ACS etwas kleiner und fokussierter sein will, indem man die Reisemöglichkeiten und die Questgebiete auf Wegnähe beschränkt, manchmal wäre man doch schneller, wenn man einfach über einen Berg, anstatt um ihn herum reisen könnte. Als jemand der Valhalla und Mirage nur angespielt und dann liegen gelassen hat, waren für mich Origins und Odyssey in dieser Hinsicht prägend und da konnte man fast immer problemlos querfeldein marschieren und sich so seinen eigenen kürzesten Weg machen. Genau das geht in Shadows leider nur selten. Die Wälder werden irgendwann zu dicht und die Hügel zu steil, um noch in Luftlinie durch das Land ziehen zu können und so muss man sich mit den offiziellen Pfaden abfinden, um von A nach B zu kommen. Irgendwie passt das aber auch zum Setting, denn die wenigsten JRPGs bieten eine vollständig begehbare Welt. Viele sind sogar extrem eingschränkt und man kann nicht einmal Hindernisse überwinden oder beseitigen die auf Knöchelhöhe zu liegen scheinen. Da ist ACS noch weit flexibler, auch wenn man nicht mehr überall und jederzeit voran kommt.

 

Game of the Year? Vermutlich nicht, aber ich betrachte Shadows für mich als immer noch besser als Odyssey. Ich hätte insgesamt auch mit mehr übernatürlichen Begegnungen gerechnet, denn Odyssey warf mit mythologischen Gestalten nur so um sich. Shadows hätte durchaus mehr durch Äpfel von Eden oder andere Isu-Artefakte heraufbeschworene Gestalten zeigen können, zumal es da reichlich Material gäbe. Spiele wie Nioh sind sogar in der gleichen Periode angesiedelt und strömen geradezu über von Oni, Yokai und anderen möglichen Produkten von Isu-Artefakten. Selbst die Templer sind in Shadows nur seltene Gäste und die Probleme des Landes wirken hausgemacht.

 

Das Stealth-Gameplay und sogar das Combat-Gameplay als Yasuke machten mir jedoch reichlich Spaß. Assassins Creed Shadows konnte sich in dieser Hinsicht für meinen Geschmack mit Ghost of Tsushima messen, da ich Ubisofts actionreichere Gameplay-Formel in mancher Hinsicht ausgefeilter finde als die von Sucker Punch. Ghost of Tsushima war für mich ein heimliches Assassins Creed, aber nun haben wir ein echtes Assassins Creed mit Japan als Setting. Auch wenn mir das Gameplay von Shadows mehr liegt, die Story von Ghost of Tsushima hat aber doch die Nase vorn, vielleicht weil es fokussierter ist. Ich habe weniger Zeit für einen Ghost of Tsushima Playthrough gebraucht als für ACS, wobei ich in GoT aber auch längst nicht alle Nebenquests abgearbeitet habe oder gar machen wollte. In ACS gingen mir die Nebenquests leichter von der Hand und so kam ich am Ende auch bis zur Platin-Trophäe, aber erzählerisch riss mich GoT einfach mehr mit. Jin Sakai wächst in die Rolle des Ghost hinein, während Naoe schon in Ninjatechniken ausgebildet wurde und sich keine Fragen stellen muss, ob derart unehrenhafte Methoden ein Problem für einen allgemein anerkannten Ehrenkodex darstellen. Hier existiert jedoch auch ein wichtiger Unterschied, Tsushima wurde durch die Invasoren erst in einen Krieg hinein gezogen, während die japanische Hauptinsel in ACS bereits seit Jahrzehnten Kriege erlebt. Yasuke und Naoe sind keine ritterlichen Gestalten aus zivilisierteren Zeiten, sondern wurden bereits vom laufenden Konflikt geprägt, wobei Yasuke einen noch ganz anderen Hintergrund mit sich bringt. Yasuke erlebte Versklavung und wohl auch Kolonialisierung, ehe er in Japan quasi befreit wurde... von einem Kriegsherrn, der Krieg führt, um den laufenden Krieg zu einem Ende zu bringen. Ubisoft schafft es allerdings nicht so wie Sucker Punch der Verwüstung, Hoffnungslosigkeit und den Opfern Gesichter zu geben - all das verliert sich in der Weite der World Map und unzähligen Sidequests, bei denen es reicht seine Ziele aufgrund von verräterischen Briefen zur Strecke zu bringen. ACS zeigt weniger als GoT und lässt daher immer wieder an Tiefe vermissen.

 

Unterm Strich trotzdem ein Spiel, das ich gerne gespielt habe, auch wenn ich es zunächst gar nicht kaufen wollte. Verschiebungen, Kontroversen und die Erfahrungen mit Odyssey und Valhalla hielten mich zurück. Am Ende wurde ich angenehm überrascht.