Laut dem britischen Beratungsunternehmen Ampere Analysis steht Xbox ja gar nicht so schlecht da, jedenfalls als Game Publisher...
Oft kommentiert, aber selten zitiert: https://www.ampereanalysis.com/insight/microsoft-is-holiday-seasons-top-games-publisher-as-chinese-rivals-rise
Für Dezember und damit das Weihnachtsgeschäft rechnet man bei Ampere für Xbox als Game Publisher 100 Millionen Dollar mehr Umsatz als für EA und die nachfolgende Konkurrenz.
Der Fall dieser mittlerweile weit verbreiteten Statistik bezeugt so nebenbei auch eines der vielen Probleme des digitalen Zeitalters - den Verlust der Quelle. Mir kommt es so vor, als hätte ich Artikel zur Statistik mittlerweile auf einem dutzend Plattformen gelesen und doch jedes Mal nie den Rest der Statistik oder einen Link zum Original zu sehen bekommen. Da fühle ich mich an Reposts digitaler Kunst erinnert, bei denen die Urheber ähnlich leicht ausradiert werden.
Die vom Beratungsunternehmen/Think Tank Ampere veröffentlichte und begierig weiter verbreitete Statistik umfasst auch nur ein Monat, sodass sich lediglich auf Basis einer Momentaufnahme spekulieren lässt. Nach dem Erfolg dieses Freebies wird man sich bei Ampere aber vielleicht der Vorzüge einer Paywall erinnern und nur ein Bruchteil der News Outlets wird sich diesen wohl leisten. Dabei wären weitere oder tiefer gehende Marktbeobachtungen interessant, schon alleine um festzustellen, ob Microsoft seinen Platz schon länger behauptet oder auch in kommenden Monaten und Jahren behaupten kann. Gleichzeitig ließen sich so auch die Entwicklungen, um einen möglichen Abstieg Ubisofts nachzeichnen. Es würde sich meines Erachtens wohl auch lohnen die Methodik zu erfahren, mit welcher Ampere seine Statistik erstellt hat. Woher nahm man die Daten? Aber das artet wohl doch etwas aus. Fürs erste muss man damit auskommen einfach eine Annahme zu treffen und das Erfasste als korrekt und einen Trend wiederspiegelnd zu alzeptieren.
Als jemand der bis 2024 fast völlig ahnungslos über den aktuellen Stand der Console Wars habe ich zunächst auf Microsofts Xbox gesetzt, weil mir diese aus verschiedenen Gründen näher zu liegen schien (Forza, Xbox Controller). Ich bin also nicht ganz unbefangen, wenn es darum geht Microsofts Geschäftspolitik positives abzugewinnen.
Dem weiteren voraus schicken möchte ich auch, dass es mein Grundverständnis ist, dass Microsoft, Sony und sogar Nintendo grundsätzlich nur deshalb Konsolen produzieren, um Spiele zu verkaufen. Mit Ausnahme der besonders erfolgreichen Konsolen dürften diese immer ein Verlustgeschäft sein. Jeder Konsolenbetreiber ist auch Shop-Betreiber und schneidet dort an jedem Verkauf mit. In diesem Sinne lässt sich auch Valves Markteintritt mit dem Steam Deckberklären, man hatte schon einen Shop, schuf sich dann aber noch einewie maßgeschneiderte Konsole für diesen. Das Steam Deck lässt sich jedoch auch legal modden und mit Steam-Alternativen nutzen.
Microsofts Einkaufstour unter Entwicklerstudios lässt sich als Teil einer Erweiterung des Portfolios sehen, die allerdings lange Zeit als Monopolisierungsbestrebung missverstanden wurde, bis es zu einem radikalen Umschwung kam. Microsoft stand unter dem Verdacht Activision gekauft zu haben, um Call of Duty Xbox-exklusiv zu machen und damit auch an den Microsoft Store zu binden. Das schien nicht unwahrscheinlich, zumal Publisher wie Ubisoft auch Tendenzen zeigten einzelne Stores zu bevorzugen oder benachteiligen. Ubisoft schien für kurze Zeit sogar zu überlegen seine digitalen Spiele, zumindest auf dem PC, nur noch über den eigenen Store zu vertreiben. Microsoft wurde durch kartellrechtliche Blockaden beim Activision-Deal womöglich sogar rechtlich gezwungen, jegliche Monopolisierung der gekauften Marken zu unterlassen. Heute könnte man sagen, es wäre kaum in Microsofts Interesse gewesen Call of Duty & Co auf der Xbox gefangen zu halten, da die Multiplattformstrategie deutlich mehr Umsatz generiert, als wohl mit erzwungenen Xbox-Käufen oder "Microsoft Store-Exklusivität" (reinste Zwangsmaßnahmen) erzielbar gewesen wären.
Innerhalb der Gaming-Community wird Microsoft/Xbox gerne als der Verlierer dargestellt und es wäre katastrophal, wenn dem auch tatsächlich so wäre, zumal Microsoft nicht wenig investiert hat, um sich Activision-Blizzard & Co zu kaufen. Aber auch da gibt es Negativbeispiele aus der Branche, die einfach auf Microsoft angelegt wurden - vorwiegend bei EA. EA kauft Entwicklerstudios und ruiniert deren Marken, egal was es kostet. Am Ende warfen manche Sequels oder Reboots unter EA zwar noch Gewinn ab, aber aus Sicht des Managements zu wenig. Gerät ein Franchise in die Fänge von EA ist seine Zukunft ziemlich unsicher. Es gibt aber auch noch Embracer bzw. THQ Nordic, das ähnlich eifrig Studios aufkaufte, nur um dann nach einem geplatzten Deal einen finanziellen Bauchfleck hinzulegen. Der Aktienwert fiel in den Keller und man musste sich wieder von einigen Käufen trennen. Es bleibt eben das ungute Gefühl, Microsoft/Xbox hätte das auch passieren können.
Microsoft hat es sich hinsichtlich seiner PR-Arbeit aber auch nicht leicht gemacht. Schon die Schlagzeilen aus der Zeit des Activision-Blizzard-Kaufs waren nicht gerade positiv und die Konkurrenten schoßen sich gerne öffentlich auf den Rivalen ein. Negative Campaigning ist zwar öffentlich verpönt, aber man darf sich schon fragen, ob die Industriegrößen diese Chance wirklich ungenutzt verstreichen ließen. Die von Ubisoft mit Aussagen zu digitalen Spielen los getretene Diskussion über fehlende Eigentumsrechte an digitalen Gütern schlug sich auch in einer negativ gefärbten Reaktion auf Microsofts Stellenabbau bei der Xbox-Abteilung für physische Spiele nieder. Nach Ubisofts PR-Fail gab man der Sache einen Spin, der Microsoft eine Mitschuld anlasten konnte. Schlechtes Timing.
Neben schlechten Timing hat Microsoft aber auch mit einer schlechten Optik zu kämpfen. Und damit meine ich die Xbox-Designentscheidungen. Im Gegensatz zum Designansatz der PS5-Produkte, die sich vielleicht Ideen bei Apple geholt haben (wie einst J. J. Abrams für das Design der Ersten Ordnung in Episode VII) ist die Xbox tatsächlich nicht mehr als der Name verspricht - eine Box. Oder ein Klotz, je nachdem wie man sie beschreiben will. Sony gab sich für diese Konsolengeneration wohl das Ziel seiner Hardware einen Mehrwert zu verschaffen, was angesichts der fast identischen Konsolenleistung wohl auch notwendig war, um höhere Preise zu rechtfertigen. Der DualSense ist mit seinem haptischen Feedback selbst in meinen Augen genial, auch wenn er 20 Euro mehr kostet, als ein Standard-Xbox Controller. Die Xbox Controller hätten aber an sich die besseren Akkus und sind billiger, wäre da nicht einnkleines aber. Standard-Xbox Controller kommen noch mit einem Batteriefach daher, was zwar unerwarteterweise bereits der EU-Akku-Richtlinie für 2027 entgegen kommt, aber auch erfordert für kabellosen Betrieb entweder Batterien oder einen Akku um 20 Euro zu kaufen, womit sich der Preisvorteil wieder aufhebt. Der Xbox-Akku läuft zumindest länger, der Controller bietet jedoch weniger einzigartige Features, ob man diese je nach Spiel nun nutzen kann oder nicht. Als PC-Controller finde ich die Xbox-Controller unschlagbar, da sie dort praktisch der Goldstandard sind. Das kommt aber vielleicht auch daher, weil ein anderes Microsoft-Prodult praktisch der Standard ist - Windows. Xbox genießt als Microsoft Marke einige tief verwurzelte Marktvorteile gegenüber der Konkurrenz. Man schleppt dafür aber auch das Erbe einiger Skandale mit, wie Microsofts langjährigen Kampf mit Alternativen zum Internet Explorer (nun Microsoft Edge).
In der technischen Pattsituation von PS5 und Series X ging Microsoft den Weg die Konkurrenz preislich zu unterbieten. Zu dieser Strategie zählte auch die Xbox Series S, die ich gerne mal vergesse. Eine "Billig-Xbox" mit geringerem Preis und geringerer Leistung - die Idee war es wohl sich nach unten, also gegen die Nintendo Switch abzusichern. Triple A Games der aktuellen Generation im Performance Modus zu zocken ist für mich auch auf der Series X die übliche Praxis. Mit der Series S verbunden schien das Versprechen, dass man sich dafür auch Geld sparen kann. Soweit die Theorie, in der Praxis gibt es das Problem, dass längst nicht mehr alle Spiele mit der Series S kompatibel sind. Microsoft hat sich hier in ein einzigartiges Problem manövriert und macht Series S Besitzern das Leben schwer.
Die Series S verdeutlicht aber auch unerwartete Kreativität in Microsofts Strategie. Sonys Praxis nach ein paar Jahren einr Pro Konsole als Generationenübergang zu veröffentlichen wollte man nicht kopieren, weil das ein zu kleiner Markt ist. Microsoft will hingegen wohl in die Breite gehen, also möglichst vielen Gamern Zugang zu ihrem Ökosystem verschaffen. In weniger uneigennütziger Formulierung, Microsoft will mehr Kunden, auch über seine Standardkonsole hinaus. Der Game Pass (mit Streaming) und Play Anywhere Titel sind die offensichtlichsten Teile von Microsofts Strategie, aber man kann auch die Rückwärtskompatibilität der Series X als Teil eines Bemühens um mehr Kunden sehen. Hat man etwa seine alte Xbox verloren, kann man mit der aktuellen digitale (soweit noch verfügbar) und physische Titel weiterhin zocken mit meiner Series X habe ich letzteres etwa mit Forza Horizon 1-3 probiert. Da Rennspiele aus Lizensierungsgründen nach einigen Jahren oft nicht mehr digital im Store gekauft werden können, aber mit den physischen Datenträgern nachwievor spielbar sind, bleiben die Discs relevant. Man braucht also theoretisch keine alte Konsole für alte Spiele.
Nach diesem Rant zurück zur Eingangathematik, was hat man als Xbox-Besitzer von Microsofts Erfolg als Publisher? Die Gewissheit nur ein Teil eines größeren ganzen zu sein. Xbox ist mittlerweile mehr als eine Konsole und eher ein Synonym für Microsofts Gaming-Sparte. Scheinbar hat Microsoft finanziell Erfolg, aber nicht in Hinsicht auf seine Konsolen-Verkäufe. Trotzdem wird man die Konsole nicht aufgeben, zumal ein Monopol für Sony auch von Nachteil für Microsoft würde. Öffentliche Aussagen zu einem möglichen Xbox Handheld nähren diesen Verdacht, dass sich Xbox eben nicht geschlagen gibt und anders als Sony auch Nintendo als möglichen Rivalen sieht. Der Erfolg der Switch 1 und die durch das Steam Deck Valves los getretene Handheld-Lawine zeigt eine offene Flanke in den Konsolenkriegen auf. Während die PS5 über die Xbox triumphieren durfte wurde die Nintendo Switch fast ungehindert zu einer der meist verkauften Konsolen der Geschichte. Microsofts Xbox Series S und Sonys PS5 Portal sind nette Experimente, haben gegen die Hybridkonsole mit der veralteten Technik jedoch nichts ausgerichtet und wahrscheinlich das Thema verfehlt. Bei Microsoft kann man die Niederlage gegen Switch und PS5 verkraften, eben weil man zum Publisher geworden ist, der nun auch die Konkurrenz beliefert. Aus Microsofts Sicht hat man nur ein Rennen verloren und das weil man von Gegnern mit besseren Features besiegt wurde. Die Series S und X sind praktisch vanilla. Microsoft will sich aber auch nicht länger auf den Erfolg einer einzelnen Konsole verlassen, selbst wenn es die Switch 2 ist. Eine eigene Konsole zu haben ist für Microsoft sinnvoll, aber ohnehin ein Verlustgeschäft. Da kann man ruhig auch Nintendo oder Sony Konsolen mit Verlust verkaufen lassen und an den auf diesen gespielten Spielen verdienen. Nur wieso in Konkurrenz zur Switch 2 treten? Weil man es kann, dank Game Pass und der eigenen rückwärtskompatiblen Bibliothek hat man beträchtliche Vorteile. Die Switch 2 hat gerade erst die Rückwärtskompatibilität zur Switch 1 entdeckt und sowohl Sony, als auch Nintendo tun sich schwer selbst ihre größten Klassiker vor Switch und PS4 wieder spielbar zu machen und überhaupt erst wieder verkaufen zu können. Derweil könnte ich die Xbox Version von KotOR 1 jederzeit auf einem Xbox-Handheld kaufen und spielen. Microsofts Xbox-Strategie erinnert an Windows, man will keine Hardware verkaufen, sondern seine Software auf 90% der Hardware unterbringen. Trotzdem produziert man auch noch Tablets und Notebooks, auch wenn man sich dort mit Asus oder Lenovo messen muss, zwei Hersteller, die auch in den Handheldmarkt eingestiegen sind. Microsofts Surface-Team soll sogar am Xbox-Handheld arbeiten und könnte auch an der nächsten Xbox Stand-Konsole mitfeilen.