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Final Fantasy XVI und die Game of Thrones Vibes

FF XVI wurde von vornherein damit beworben, sich eine Scheibe bei Game of Thrones abzuschneiden und das schürt natürlich hohe Erwartungen, außer man meint die finale Season...

Final Fantasy XVI gehört zu jenen Spielen, von denen ich zunächst sehr viel von den PR-Kampagnen der Entwickler mitbekommen habe, dann aber generell wenig herausragendes Feedback der Spieler hörte. Das ist natürlich ein sehr subjektiver Eindruck, aber für mich war lange nicht klar, ob das Spiel überhaupt gut angekommen ist. Ich hörte zwar nichts schlechtes, aber der Versuch das Spiel mit Game of Thrones-Bezügen hochzuhypen schien auch nicht gefruchtet zu haben. So habe ich mich mit eher gemischten Gefühlen an das Spiel herangewagt.

 

Was mich gleich zu Beginn beeindruckt hat, war die Grafik. FF XVI sieht wirklich großartig aus und steht FF VII Remake in nichts nach. Das Kampfsystem ist allerdings anders und auch der Umgang mit Begleitern ist etwas gewöhnungsbedürftig, wenn man, wie ich, Final Fantasy nur von Cloud Stryfes modernen Abenteuern her kennt. Man kann im Gegensatz zu FF VII seine Gefährten praktisch nie steuern und ist daher auf Cloud und dessen Moveset beschränkt, das man im Spielverlauf allerdings deutlich erweitern kann. Überraschend für mich, der scheinbar alle Reviews vom PS5-Release vergessen hatte, war auch, dass es im Spiel einen zweiten Timeskip gibt. Das Tutorial mit dem Teenager Clive führt zwar zu einem kampferprobteren erwachsenen Clive, aber immer noch nicht den Clive, der einem grimmig und vor allem mit Narbe von allen Covern entgegen blickt. Die Tättowierung mit der alle Träger quasi-gebrandmarkt werden scheint ja auf dem Cover Art nicht mehr da zu sein und Clives Haare wirken auch etwas länger, Spoiler? Für mich schien das ein Gegensatz zum Ingame-Clive zu sein, bis er praktisch in dieses Aussehen hinein wuchs.

 

Im Zusammenspiel mit der Bewerbung als Game of Thrones-like wurde FF XVI auch als erstes Final Fantasy mit einem Active Lore System beworben, was unterm Strich auch nur ein besserer Kodex wurde. Der Grund ein Kodex-Feature jedoch noch explizit zu bewerben liegt in den laut den Entwicklern komplexen politischen und persönlichen Beziehungen unter den Charakteren. Also eine Krücke für lückenhaftes Storytelling? Nicht ganz, meinem Eindruck nach kommt man durchaus gut durchs Spiel, ohne zum Kodex-Studium gezwungen zu sein. Hin und wieder kommt es jedoch zu Story-Entwicklungen von denen man sich überrumpelt vorkommen kann, denn die Ingame-Erklärung dazu kommt erst viel später. Außer man schlägt die Personen gleich im Kodex nach. Aber selbst da kann man als Spieler ohne eine sofortige Erklärung auskommen und sich selbst einen Reim auf die Geschehnisse machen.

 

Die Welt von FF XVI ist harsch, also genau wie in Game of Thrones. Die Herrscher scheren sich wenig, aber als Träger hat man es noch schlimmer als das gewöhnliche Volk. Träger sind praktisch so rechtlos wie die Kristalle die normale Menschen nutzen müssen, um Magie zu nutzen. Da Träger keine solche Kristalle brauchen sind sie praktisch zu Magie-Sklaven degradiert. Warum und wieso das so kam, das steht im Kodex. Tatsächlich gab es eine Bewegung der Träger, welche diesen eine Herrschaft über die Magielosen hätte sichern können, man verlor jedoch das Ringen um die Macht und so stützten sich die meisten Reiche auf die Doktrin einer siegreichen Kirche, welche die Träger praktisch verdammte. Träger tragen nicht nur eine magische Gabe in sich, sondern in den meisten Fällen auch eine gut erkennbare Tättowierung im Gesicht. Clive Rosfield ist ein solcher Träger, aber kein gewöhnlicher. Clives Leben beginnt als ältester Sohn des Erzherzogs von Rosaria, mitunter ein Grund warum er in jüngeren Jahren noch keine Sklaven-Tätowierung tragen muss. Rosaria ist allerdings auch ein eher liberales Herzogtum, jedoch nicht soweit, dass man Clive auch das Recht zugesteht seinen Vater zu beerben. Der Erzherzog muss schon der Dominus des Phönix sein. In der Welt von FF XVI sind die Dominus Träger welche sich in aus dem restlichen FF-Franchise bekannte Gestalten wie Ifrit, Shiva & Co verwandeln können. In dieser Form ist ein Dominus praktisch wie eine taktische Nuklearwaffe und kann daher Nachbarreiche sehr gut von Invasionen oder Übegriffen abschrecken. Erstgeborener, aber nicht der Dominus der lokalen Schutzgottheit zu sein bringt Clive in die schwierige Lage von der eigenen Mutter wie ein Aussätziger behandelt zu werden, was auch das Verhältnis zu seinem jüngeren Bruder und Dominus des Phönix, Joshua Rosfield, belastet. FF XVI beginnt daher wirklich interessant, weil man in einer Sequenz erlebt wie sich die beiden Esper Ifrit und Phönix scheinbar auf Leben und Tod bekämpfen - ein Bruderzwist im Hause Rosfield? Clives Schuldgefühlte nach dem Zeitsprung und seine innere Zerrissenheit haben ihn instant zu einem für mich interessanten Charakter gemacht.

 

FF XVI ist keine perfekte Story und ich finde sie stolpert manchmal, was auch an ungewollten Spoilern durch den Kodex oder nicht ganz reibungslos umgesetzten Reveals liegt. Nebencharaktere bleiben zudem oft wenig unausgereift, sie sind nicht einmal spielbar und trotz ihrer Bedeutung für die Story (wie Shivas Dominus Jill) werden sie selten entsprechend ihres Potentials eingesetzt. Jill könnte zum Beispiel deutlich mehr, aber sie bleibt auf die Rolle eines Sidekicks beschränkt. Große Action, große Katastrophen und mittendrin Clive Rosfield - das macht FF XVI zu einem durchaus epischen Action-RPG, aber nicht ganz ohne Probleme. Vergleichbare Spiele gibt es in meinen Augen durchaus, so wie Xenoblade Chronicles, das zwar deutlich weniger düster auftritt, aber durchaus einige Parallelen zu FF XVI aufweist. Ich würde auch Tales of Arise mit FF XVI vergleichen, auch wenn es (wie Xenoblade) optisch ganz anders aussieht als der einstige Playstation-Exclusive. Lücken im World Building und der Charaktermotiviation wie in Tales of Arise hat FF XVI auch, aber weniger eklatante, sieht man vom Main Villain des Spiels einmal ab. Ich würde FF XVI also vor ToA einreihen, wobei letzteres es ja immerhin zum RPG des Jahres bei den Game Awards 2021 gebracht hat. Beide Spiele gehören für mich aber nicht zur Kategorie "rechtfertigen einen zweiten Playthrough". Ich mag Clive, aber ihm fehlt doch etwas. Die Zeitsprünge vertiefen und verstärken Clives Charakterzüge, sowie seine Überzeugungen, aber trotz der Jahre die da ins Land ziehen entwickelt er sich in mancher Hinsicht kaum weiter - etwa in seiner Beziehung zu Jill. Mir hätte es aber auch mehr gefallen, wenn Charaktere wie der Dominus des Titans, Hugo Kupka, mehr in Szene gesetzt worden wären. Kupkas Rolle als Dominus einer Republik hätte sich deutlich interessanter inszenieren lassen, gerade wenn man den Vergleich mit Game of Thrones beschwört. Wenn auch nicht so drastisch wie in Tales of Arise sieht die politische Landschaft in FFXVI für mich eher karg aus. Abgesehen von Clives Mutter, dem sanbrèquschen Kaiser und den Dominus scheint es keine aktiven Player in diesem Game of Thrones zu geben, was meiner Meinung nach dafür spricht, dass man sich nur von der Kulisse und nicht dem Inhalt von Game of Thrones inspirieren hat lassen. Am Ende rettet Clive nicht nur die Welt sondern auch das Spiel, mit etwas Hilfe von Cid und Joshua.

 

Wie von Kupka hätte ich mir auch von Clives und Joshuas Mutter mehr onscreen-Aktivität gewünscht. Die wohl mächtigste Dame des Spiels wird von den Machern praktisch als machthungrige Fürstin mit macchiavellischen Qualitäten implementiert, wir sehen nur nicht allzu viel davon. Man erkennt Parallelen zu Cersei Lannister, aber auch Catelyn Stark, nur in einer Form, in der die werte Frau Mutter eher so wirkt, als ob sie ihre Söhne gegeneinander ausspielen würde. Am Ende scheint Lady Rosfield jedoch dabei zu bleiben, immer nur ihren jüngsten Sohn zu bevorzugen. Dabei hätte sie soviel mehr tun und sagen können, etwa auch zu Jill, die sich als Prinzessin eines gestürzten Hauses und Trägerin in einer ähnlichen Lage wie Lady Rosfield wiederfindet - sie wäre potentielles Heiratsmaterial, könnte dabei aber auch ihre eigenen politischen Ambitionen umsetzen. Diese Ambitionen kommen jedoch oft zu kurz oder werden ganz ausgespart, so ist FF XVI leider. Worum sich alles dreht ist der Kampf zwischen den verschiedenen Dominus und das Clive die Gabe besitzt deren Fähigkeiten zu absorbieren, sodass sich die Story vorwiegend um Monster Battles gegen die verschiedenen Ikonen/Esper dreht - mehr Anime-Klischee als Game of Thrones.

 

FF XVI ist schon imposant, aber schafft es in meinen Augen nicht den angeblichen Ansprüchen des Spiels gerecht zu werden. Am Ende wirken die Game of Thrones-Vergleiche eher hohl und es ist fast ausschließlich der Protagonist Clive Rosfield, der das Gesamtwerk zusammenhält.