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Mass Effect Andromeda: Gut Ding will Weile haben

634 Jahre waren es zwar nicht, aber mein erster Mass Effect Andromeda Playthrough hat schon ein paar Jährchen gebraucht...

Gehe ich von den Achievements aus, dann habe ich meinen ersten Mass Effect Andromeda Playthrough im Juni 2021 begonnen, also auch schon 4 Jahre nach dem Release des Spiels. Wer die Geschichte kennt, ich habe Mass Effect 3 ursprünglich auch nie abgeschlossen, aber zumindest kurz nach Release zu spielen begonnen und sogar den Leviathan-DLC gespielt, ehe ich es erst mit der Legendary Edition wirklich bis zum Ende brachte. Mass Effect 3 ging bei mir wegen SWTOR und Warten auf DLC bzw. das geänderte Ende unter. Mass Effect Andromeda hingegen ist ein Spiel, das mich Überwindung gekostet hat. Zwischen Juni 2021 und Jänner 2025 habe ich irgendwann schon zwei andere Versuche unternommen mit dem Spiel voranzukommen, aber bin dabei nie weit über Habitat 7 und damit den Prolog hinaus gekommen. Was hat sich seither geändert? Dragon Age The Veilguard hat mir meine Hoffnung wiedergegeben, denn dieses BioWare-Spiel habe ich nicht nur beim Release gekauft, sondern dann auch in einem Rutsch durchgezockt. Und das obwohl Dragon Age Inquisition wie einst Mass Effect 3 zu den Spielen gehört, die ich bis kurz vor dem Finale gezockt und dann aufgegeben habe, weil DLC abzuwarten war. Während meines Veilguard-Playthroughs zu erfahren, dass es keinen DLC für dieses Spiel geben wird hat mir geholfen meinen BioWare-Fluch abzuschütteln.

 

Veilguard hat mich tatsächlich optimistisch auf Mass Effect 4 (oder 5, je nach Zählweise) eingestimmt und nachdem sich BioWare ja nicht mit DLC aufhalten will könnte uns das Sequel zur Trilogie vielleicht sogar früher als später erreichen. Wenn das nicht Grund genug ist, sich auf Andromeda zu stürzen und endlich herauszufinden, was es mit den Angara und einem möglichen Ryder-Shepard-Crossover auf sich haben könnte. Fan-Spekulationen zu Mass Effect 4 legen anhand der bisher verfügbaren Teaser-Bilder und möglicher Concept Art nahe, dass Angara in Mass Effect 4 auftauchen könnten und dass es wohl Geth geben wird, die von den Entscheidungen in Mass Effect 3 unbeeinflusst sein dürften.

 

Was mir bei meinem Andromeda Playthrough jedoch sehr entscheidend geholfen hat waren Spiele wie jene der Yakuza-Reihe oder auch das eine oder andere AA-Spiel mit geringem Budget. Andromeda ist ein sehr unfertiges und ungeschliffenes Spiel, das mir viel in besser im Vergleich mit Indie-Spielen aufgehoben scheint, als in der AAA-Kategorie. Yakuza ist beispielsweise kein GTA, hat aber Charme und haufenweise Minigames, auch wenn die Spiele häufig auf die selben Maps beschränkt sind und deshalb eher nicht mit Abwechslung und Innovation überzeugen. Abhängig vom Spiel und der verwendeten Engine gibt es in Yakuza auch Charaktere mit eher hölzerner Mimik und nicht ganz optimierten Dialogen. Wenn ich die gleichen Mängel in Yakuza ertragen kann, wieso dann nicht auch in Andromeda? Die dem Zeitdruck und Produktionsproblemen geschuldeten Einschläge bei Andromeda haben mich dementsprechend wirklich kaum gestört.

 

Was mich aber doch eher nervte war die Abhängigkeit vom nun Nomad genannten Mako. Der Nomad ist zwar die beste Version des Space Buggys, aber diesmal stört mich auch nicht wie er sich fährt, sondern wohin man mit ihm fahren soll. Andromeda hätte eine Minimap oder bessere Navigationsfeatures wirklich gut vertragen. Als ich auf Eos zum ersten Mal ganz simpel Items platzieren sollte und mit dem Nomad nicht so recht ans Ziel kam habe ich einfach beschlossen es sein zu lassen. Dass Andromeda sich um eine möglichst offene Spielwelt bemüht hat ist offensichtlich, doch Schnellreisen werden oft durch Reiseanimationen behindert (an Bord der Tempest) und das Planeten-Scannen ist zwar vereinfacht, aber äußerst unspaßig. Auch das sind Probleme wie ich sie mir von einem Indie-Spiel erwarten würde, dass man nicht so recht wusste, wie man geplante und gut gemeinte Features auch so umsetzt, dass sie Spaß machen.

 

So ganz entschuldigen kann man die Mängel von Andromeda nur nicht, weil es eben doch das Spiel eines AAA-Entwicklers ist, der hier in meinen Augen bestenfalls Mittelmaß abgeliefert hat. Zur Verteidigung BioWares muss man anführen, dass man durch Mismanagement und Druck seitens des Publishers EA wohl zu keinem besseren Ergebnis kommen konnte, aber das macht es nicht gut.

 

Selbst die Story scheint mir unter fehlender Optimierung zu leiden. Zunächst schafft man es nicht sonderlich viel Spannung aufzubauen und Konsequenzen oder harte Entscheidungen werden einem auch präsentiert. Erst gegen Ende hin kommen Drama und hohe Einsätze ins Spiel, aber das Finale kann das Spiel nicht retten, weil man zuvor zu wenig "Spielraum" für seine Entscheidungen und den Aufbau einer persönlichen Beziehung zum Bösewicht hatte. Zugegeben, auch Mass Effect 1 hatte noch so seine Probleme, aber Andromeda hätte sich gerne um den Titel Mass Effect 4 beworben, womit es sich auch gegenüber Mass Effect 2 und 3 behaupten müsste. In meinen Augen fallen die Bemühungen Andromedas jedoch flach, sodass es nur ein Spinoff ist und sich wie mit vielen Spinoffs damit konfrontiert sieht einfach nicht an das Original heranreichen zu können.

 

Dabei hätte Andromeda durchaus Potential gehabt. Die Kett sind als auf persönliche Optimierung bedachte Gensammler so etwas wie eine Kreuzung aus den Borg und Kollektoren. Ihre Religion hält sie dabei in meinen Augen jedoch zurück, denn sie lässt sie etwas zu sehr zu Karrikaturen verkommen. Die Angara als Spezies die praktisch eine Art Reaper-Invasion durch die Kett überlebt haben und nun eine Rebellion gegen diese anführen sind auch ein interessantes Konzept, das aber etwas zu kurz kommt. Die Moshae wäre vielleicht auch interessanter, wenn man sie zu einem unberechenbaren Charakter wie die religiöse Anführerin Kai Winn aus Star Trek Deep Space Nine gemacht hätte. Aber hätte Andromeda als Mass Effect Verschnitt von DS9 und Voyager überhaupt überzeugen können? Ich glaube es zumindest, denn so prägend diese Star Trek Serien für das Science Fiction Genre auch waren, sie sind mittlerweile auch schon fast 30 Jahre alt. Auf gewisse Weise hätte Andromeda die Möglichkeit präsentiert das Erbe dieser Serien zu würdigen, indem man Ideen und Konzepte aus ihnen praktisch neu auflegt. Leider wurde Andromeda aber durch das "Studio" ruiniert und hatte kaum eine Möglichkeit dem vernichtenden Urteil "Cancelled" zu entgehen.

 

Dass sich Mass Effect 4 Elemente von Andromeda ausborgen könnte finde ich an sich nicht problematisch, die Ideen von damals waren ja gut, ihre Umsetzung war es, womit man scheiterte. Ein besser inszeniertes und durchdachtes Mass Effect könnte durchaus das Potential hinter Andromeda nutzen und zeigen, dass es BioWare immer noch drauf hat, wenn EA es zulässt. Nach Veilguard würde ich mir von Mass Effect 4 aber auch kein Spiel mit Starfield-Dimensionen (oder No Mans Sky) erwarten, sondern eher ein starkes narratives Spiel. In den letzten Monaten ließ mancher Game Dev ja wieder mal die Meinung durchklingen, dass die Spieler doch auch langsam von massiven Open World Sandboxen ausgebrannt wären. Ich glaube nicht, dass man diese Einschätzung zum Dogma erheben sollte, denn mir machen Open World Spiele durchaus noch Spaß, aber ich sträube mich auch dagegen, dass man jedes Spiel unnötig in die Länge oder Breite ziehen muss. Veilguard hat mich 60 Stunden lang beschäftigt und wenn Mass Effect 4 das auch kann, bin ich voll und ganz zufrieden. Die Mass Effect-Trilogie bestand ja auch nicht aus 1000 Stunden Open World-Sandboxen.

 

Die negativen Emotionen, die nach dem Scheitern von Mass Effect Andromeda für das Spiel entstanden sind, wären aus meiner Sicht ein guter Grund eine Einbindung des Spinoffs in das nächste Mass Effect zu unterlassen. Ich finde auch, dass es für einige der Andromeda-Charaktere keinen Grund gäbe in die Milchstraße zurückzukehren, denn so mancher hatte gute Gründe sich ins große Unbekannte zu stürzen. Die Ryder-Geschwister selbst ließen die Allianz etwa zurück, weil sie wegen der KI-Forschung ihres Vaters wohl ähnliche Probleme zu befürchten hatten wie Ashley Williams aufgrund ihres Großvaters. Natürlich könnte man Alec Ryders Ruf in einer Post-Reaper-Weltordnung mit dem Synthese oder Control-Ende von Mass Effect 3 wiederherstellen, im Fall des Destroy Endes wäre das allerdings ausgeschlossen. Den Heleus-Cluster zu einer Kolonie der Milchstraße zu machen wirkt auf den ersten Blick auch etwas ungerecht, zumal die Andromeda Initiative meiner Meinung nach ohne Hilfe der Angara nicht gegen die Kett überlebt hätte, sodass eine Unterordnung der Angara unter die "Ratsspezies" der Milchstraße schon sehr kolonial erscheinen würde. Kolonialgeschichte ist aber genau das Stichwort mit dem sich die beiden Galaxien verbinden ließen und gleich eine Menge Konfliktpotential schüren würden - denn man könnte eine Geschichte basierend auf historischen Beispielen schreiben. BioWares Zentrale liegt in Kanada und einige der Regionen Kanadas waren einst französische Kolonien. Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich hat aber auch mehrere Kriege in Europa geführt und es sind diese Situationen, in denen sich die Kolonialmacht durch Ausbeutung von Kolonien praktisch sanieren könnte, welche vielleicht zur Inspiration für eine gegenüber dem Heleus-Cluster übergriffigen Milchstraßen-Zivilisation werden könnten. Vorausgesetzt man findet einen Weg die beiden Galaxien mit geringem Zeitverlust zu verbinden. Die Frage ist, ob man sich auf so eine Geschichte einlassen will, denn Anti-Kolonialismus und Imperialismus sind angesichts des aktuellen politischen Zustands der USA doch sehr heikle Themen. Vielleicht wäre es gerade aber deshalb wichtig, sich durch eine Science Fiction-Linse dunklen Kapiteln der Vergangenheit (Franzosen- und Indianerkriege) Nordamerikas zu stellen.