Persona 3 Portable schien vom Titel her der perfekte Titel für einen Handheld wie das Steam Deck zu sein...
Nach Corpse Party saß ich zunächst etwas ratlos da womit ich auf meinem Steam Deck weiter zocken sollte. Hinsichtlich von Persona war ich vorgewarnt - die Spiele verschlingen Spielzeit und das ganze kann bis in die dreistelligen Zahlen für einen einzigen Playthrough gehen. Das schreckte mich zunächst ab, aber so ein Spiel in dem etwas nebenbei dahingringen kann, während man vielleicht einen Film oder eine Serie binged schien mir doch ganz gut ins Konzept zu passen. Und auf dem Handheld-Display schreckt auch eine etwas antiquierte Grafik nicht so ab. Also griff ich zu Persona 3, denn wenn das Franchise schon so sagenumwoben gut sein soll (Person 5 Royal sitzt laut Steam auf einem Meta-Critic Score von 95), dann fange ich besser mal möglichst am Anfang an, denn die Features wurden über die Jahre ja auch weiterentwickelt und so ein Rückstieg fällt mir zumindest schwerer als ein Aufstieg, wie von P3P zu P4G zu P5R. Unterm Strich sind die drei auf Steam verfügbaren Persona-Titel jetzt in meine Top 5 der meistgespielten Spiele 2023 geschossen und das gegenüber von Konkurrenz mit der ich mich Wochen oder Monate beschäftigt habe. Forza Horizon 5 liegt bei mir immer noch auf Platz 1, aber Persona 5 Royal hat sich jüngst mit einem soliden Abstand den zweiten Platz gesichert, denn mit rund 91 Stunden käme dann GRID Legends auf Platz 3. Die Endresultate haben mich massiv überrascht, zuletzt auch weil P5R einfach so an einem meiner Lieblingsspiele vorbei segelte, Assassins Creed Origins, wo ich mit 100% der Achievements und einem New Game+ Versuch auf nur ca. 120 Stunden komme. P5R ist mir auf dem Deck aber auch etwas zu wenig optimiert, da die Texte erkennbar pixelig sind, zumindest bei normaler Einstellung. Adaptiert man die Einstellungen auf 1920x1080 sieht P5R auf dem Deck zwar gut aus, die Akkulaufzeit liegt aber bei nur noch maximal 3 Stunden. Insofern habe ich den aktuellsten Teil der Persona-Reihe nun primär auf dem Stand-PC gespielt. Aber zumindest P3P und P4G waren für mich fast reine Handheld-Abenteuer.
Wo und wie soll ich anfangen meine Begeisterung für Persona zu beschreiben?
Vielleicht an der Formel, denn Persona verbindet eine Slice of Life/School Life-Erzählung mit einem rundenbasierten Kampfsystem. Man führt gewissermaßen ein Doppelleben, bei dem man tagsüber brav zur Schule geht, im Unterricht aufpasst, an seinen "Social Stats" und "Social Links" (Freundschaften und Bekanntschaften) arbeitet und nachts kann man in einer anderen Dimension Jagd auf bösartige Schatten machen, wobei sich diese an ein komplexes Stärken/Schwächen-System halten wie man es aus einem Pokemon-Spiel kennen sollte. Dazu gesellt sich noch eine Story, bei der zunehmend das Leben und Wohlergehen des Protagonisten und seiner Clique gefährdet wird, aber nicht nur "Gefährten" bekommen in ihren Social Links emotionale Achterbahnfahrten spendiert, sondern auch die diversen Bekanntschaften mit denen man Social Links knüpfen kann haben oft sehr spannende und intensive Geschichten zu bieten. Von BioWare RPGs kommend ist das Stärken der Beziehungen zu den Gefährten und damit verbundener Content ja durchaus etwas sehr vertrautes, aber Persona bietet diese Behandlung für mehr als nur die "Crew". In einem Persona x Mass Effect hätte man auch eine Gefährtenstoryline für Joker, Captain Anderson und Conrad Verner.
An Persona 5 mag vielleicht das Layout abschrecken und die Tatsache, dass man im Verlauf der Story durchaus an fixe Termine gebunden ist, zu denen man die storyrelevanten Dungeons abgeschlossen haben muss, lässt sich negativ auffassen. Ehrlich gesagt, haben mich diese Faktoren zunächst auch abgeschreckt, genauso wie der Umstand, dass P3P und P4G eine eher altbackene Grafik aufzubieten haben. Über die Grafik kam ich nach meinen Erfahrungen auf der Switch aber schnell hinweg. Der Artstil von P5R hat mich aber trotzdem manchmal gestört, weniger wegen der an Erpresserbriefe erinnernden Schriftarten, sondern wegen der gelegentlich überwältigenden Menge an roter Hintergrundfarbe. Die jeweilige "Grundfarbe" eines Persona ist immer stark vertreten, in P5R war es mir manchmal aber doch zuviel. Wenn das die Dinge sind über die ich mich als erstes beschwere, dann stehen die Spiele aber ziemlich gut da. Die Termine stellten für mich schlussendlich gar kein so großes Problem dar, da sich in den Dungeons sehr gut XP grinden lassen und die Fristen oft ein Monat oder zumindest mehrere Wochen lang sind. Man hat schon seine Spielräume, außer vielleicht wenn man die Schwierigkeit zu hoch dreht und dann beim Grind in Verzug gerät. P3P und P4G haben ja ein Feature, dass beim Grinden hilft, man kann sich an einem zentralen Sammelpunkt in der Schattenwelt für einige Yen heilen lassen.
Damit lässt sich unendlich viel aus einer einzigen "Nacht" in den Dungeons heraus holen. P5R hat dieses Feature leider nicht mehr und meinem Spielerlebnis nach gehen einem die SP (also Mana, Magiepunkte oder wie auch immer man sie umschreiben möchte) viel schneller aus als die HP. Entsprechende Heil-Items gibt es zwar, aber nur bei HP-Items konnte ich eine zuverlässige und nachhaltige Bezugsquelle finden, SP-"Tränke" sind schwieriger zu bekommen und selbst dann oft nur in begrenzten Mengen, während man sich die klassische Medizin bei der Ärztin seines Vertrauens kaufen kann. Und natürlich füllen auch Nahrungsmittel meistens HP auf. Hinsichtlich der Dungeons muss ich aber auch ein Feature erwähnen, dass sich durch alle Persona-Teile zu ziehen scheint und in meinen Augen extrem begeisterte Nachahmer gefunden hat...
Fuuuuuuuusssssiiiioooonnn
Wer da an Dragonball Z oder an spezifische Pokemon Fan-Games wird allerdings etwas enttäuscht, Fusionen in Persona verschmelzen nicht das Aussehen, sondern nur die Skillsets der ausgewählten Personas und das ganze System ist ziemlich ausgeklügelt. Am ehesten erinnert es mich an die Zuchtmechaniken in Pokemon-Spielen, wobei es in Persona so ist, dass man durch das Fusionieren bestimmter Karten eine neue meist höherwertige Karte mit Skills aus dem Pool seiner jeweiligen Vorgänger erhält. Fusionieren dient also zwei Zielen, Persona mit höherem Level und bestimten Skillsets zu erschaffen. Je nach Spiel ist das unterschiedlich aufwendig. In früheren Titeln konnte man sich die vererbten Skills etwa nicht aussuchen und musste mit einem Save vor der Fusion diese solange wiederholen bis man das gewünschte Ergebnis erhält. Gleichzeitig ist es auch möglich die Stats seiner Personas auch so zu erhöhen und diese natürlich auch zu leveln. Das Leveln von Personas ist aber deutlich zäher und langwieriger als das Erschaffen stärkerer Personas durch Fusionen. In P4G und P5R wurden bereits Skill Cards eingeführt, mit denen man die entsprechenden Skills auch so auf eine Persona übertragen kann. Alles in allem habe ich P5R zwar mehr und länger gespielt als P3P und P4G, aber ich hatte weniger Druck und Verlangen danach das Fusionssystem voll auszunutzen. Der klassische XP-Dungeon-Grind scheint sich meiner Ansicht nach in modernen Persona nach der Formel von Persona 5 Royal wohl nicht mehr so zu lohnen wie früher, das tut dem Spielspaß aber keinen Abbruch, sondern im Gegenteil, ich habe 50 Stunden mehr in P5 gesteckt als in P3 oder P4, obwohl ich dort ganze Nachmittage in den Dungeons verbracht habe. Dementsprechend spannend finde ich Persona 3 Reload, das Remake von P3. In P3P habe ich gerne und viel gegrindet, obwohl die verschiedenen Ebenen des Tartarus für heutige Verhältnisse ziemlich eintönig sind. P3 war für mich vom Aspekt der Kämpfe her auf einem Level mit Pokemon-Spielen wie Legends Arceus oder den Generation 4 Remakes BDSP (Brillant Diamond, Shining Pearl - aber auf deutsch eigentlich Strahlender Diamant und Leuchtende Perle). Man musste sich schon etwas einfallen lassen und durfte den Grind nicht vernachlässigen. Dafür wurde man mit mechanisch ansprechenden und herausfordernden Bosskämpfen belohnt. Grundsätzlich hat sich hinsichtlich der Mechaniken ja wenig geändert, außer dass diese zugänglicher und verständlich gemacht wurden, sodass ich P3 vielleicht vor allem durch eine Nostalgie-Brille sehe. Ich freue mich auf jeden Fall auf das Remake.
Persona wird als Franchise gerne vorgeworfen zu stark auf Tropes und Archetypen zu setzen, was allerdings nicht ganz von ungefähr kommt. Gerade die Social Links (also Gefährten, Freunde und Bekannt mit eigener Story, die gelevelt werden können und auf entsprechenden Levels auch benefits für die Dungeons bringen) sind immer mit einem jeweiligen "Arcana" verbunden, das einer Tarot-Karte entspricht. Somit gibt es in Persona immer einen Charakter der "die Liebenden" symbolisiert, aber auch einen "Narr", "Magier" usw. Die Verbindung zum jeweiligen Arcana ist je nach Spiel und Charakter nicht immer ganz deutlich erkennbar, aber wie im Fall der alten Dame aus Persona 4 wird die Arcana-Connection schnell klar. Ohne zuviel zu spoilern, Hisano Kuroda trauert um ihren jüngst verstorbenen Mann, aber sie ist auch von Schuldgefühlen geplagt, weil sie dessen Demenzkrankheit in den letzten Jahren nicht ertragen konnte. Persona geizt nicht mit Drama, gerade in den Nebenhandlungen und in meinen Augen, vor allem nicht in Persona 4. Obwohl man in einer magischen anderen Dimension herum läuft und Avatare mit Elementarkräften heraufbeschwören kann wandelt man in Persona auch durch eine Welt voller realer Probleme. Kein Videospiel hat mir soviel Mitgefühl für fiktive Charaktere abverlangt wie Persona 4. Vielleicht liegt es auch am vertrauten Kleinstadt/Dorf-Setting dieses Titels, aber so manche Stories gingen mir schon ans Herz. Verglichen mit Persona 4 ist Persona 3 da noch eher einfach gestrickt, es gibt einen klaren Progress, der auch durch die verschiedenen Stockwerke des Tartarus-Turms verkörpert wird. Natürlich gibt es Wendungen und Enthüllungen, aber man hat doch irgendwie das Ziel im Auge, ohne lange zu wissen, was dieses Ziel sein wird. Persona 4 ist dahingegen sprichwörtlich von Nebel umhüllt, man weiß nicht recht wohin der Weg führt und hat immer nur das nächste Ziel im Auge. Persona 5 ist wiederum grandioser, es spielt aber auch in der Metropole Tokyo und keiner Kleinstadt oder ländlichen Gemeinde. In P3 und P4 ist lange unklar, worum es im Endgame gehen wird und es wirkt so, als ob man bis dahin fast jederzeit einfach aufhören und sein Leben unbehelligt weiterleben könnte. P5 macht die Bedrohungen innerhalb der Story jedoch gleich von Anfang an viel persönlicher. Das Endgame von P5 wird schon viel früher erkennbar und man hat eigentlich zu keinem Zeitpunkt wirklich die Möglichkeit vor seiner Verantwortung als Protagonist zu fliehen. Daher finde ich es ganz passend, dass man sich den Velvet Room in P5 als Gefängnis vorstellt, immerhin ist man mehr oder weniger ja der Gefangene dieser Story und kann ihr nicht entkommen.
Der Cast eines jeden Persona lässt sich auch unterschriedlich beschreiben, in P3 handelt es sich um eine aus Schülern rekrutierte Task Force zur Schattenbekämpfung, in P4 ist es eine Gruppe von Freunden, die in eine Mord/Entführungsserie verwickelt wird und in P5 sind es zur Rebellion angestachelte soziale Außenseiter, die sich einer ultimativen Bedrohung stellen müssen. Es fällt mir schwer einen Liebling unter den Persona-Spielen zu nennen oder auch nur meinen Lieblings-Cast zu nominieren. Am einfachsten fällt es mir noch zu sagen, dass mir der Tartarus in P3P von allen Dungeons am meisten Spaß gemacht hat. Diesen konnte ich auch ideal mit dem Steam Deck grinden, ohne auf Akkuprobleme oder Savepunkte Rücksicht nehmen zu müssen. Ich schätze aber alle mechanischen Verbesserungen in P4 und P5, vor allem die Möglichkeit hinsichtlich des Fusionierens oder Nachrüstens von Personas. Persona 4 hatte für mich die meisten emotionalen Momente und interessantesten Nebencharaktere. P5 wiederum ist dieses umfangreiche Paket an Content, bei dem ich allerdings nicht mit jedem Gefährten so warm werden konnte wie in P4. Dafür hat P5 das für meinen Geschmack interessantere "Postgame" als P4. Die Benennungkonventionen der Persona-Spiele weißen auch auf den Postgame-Content hin. Das normale P4 endet mit dem Endboss, P4 Golden fügt noch eine Story-Episode mit einem nur in dieser Version des Spiels enthaltenen Nebencharakter hinzu - Marie. In P5 Royal sind es sogar zwei royal-exklusive Charaktere: Kasumi Yoshizawa und Dr. Maruki. Ich persönlich bevorzuge die Royal-Episode als das "bessere" Postgame, was sehr stark an Kasumi und Dr. Maruki liegt. Ich bin zwar nicht der größte Fan des Twists in Kasumis Storyline, weil ich etwas ähnliches schon in Chaos;Head gesehen habe, aber der gleiche Twist macht im Setting von Persona 5 genauso Sinn. Kasumi Yoshizawa ist bis zum "großen Reveal" in ihrer Storyline wohl auch mein Lieblings-Charakter der Persona-Reihe. Dicht gefolgt von Mitsuru aus Persona 3. Hinsichtlich der Antagonisten hat Persona 5 in meinen Augen ganz klar die Nase vorne und dabei sind nicht einmal alle der Gegenspieler der Phantomdiebe wirklich böse, wobei ich da nicht zuviel spoilern möchte. Wie schon erwähnt, finde ich, dass die Story in P5 viel persönlicher ist und somit findet sich auch der mir am meisten verhasste Charakter in Persona 5 - der Teenager-Detektiv Goro Akechi. Ich habe schon lange keinen Antagonisten mehr erlebt, der sich in meinen Augen für die Rolle des besten Feinds eignet. Es soll jetzt kein Zweifel daran bestehen, ich hasse Akechi, aber das hat eben seine spoilerlastigen Gründe. Würde ich die Story in Persona 4 noch als zeitlos beschreiben, dann ist sie in Persona 5 erschreckend modern und hat seit 2016 nichts von seiner Bedeutung verloren. Den Weg in die Schattenwelt findet man in P5 mit einer App und die Story wird von der (Online-)Popularität der Schattendiebe und ihrer Gegenspieler überschattet. Der Politiker Masayoshi Shido gibt sich als Reformer in Zeiten einer erstarrten Politikszene und ist eigentlich selbst für einen Teil des Stillstands mitverantwortlich, aber sein blatanter Populismus hilft zwischen Stagnation und Unsicherheit gehört und enthusiastisch aufgenommen zu werden. Meisterdetektiv Akechi selbst ist eine Fernsehpersönlichkeit und auch er lebt sehr stark von den Fällen zu denen er seine Analysen abgeben darf. Sae Nijima ist eine harte und verbissene Ermittlerin, stößt aber in einer von einem überalterteten Vorgesetzen kontrollierten Männerdomäne an die gläserne Decke, zu der auch noch kommt, dass die Chefetage sich eher politischen Einflüssen ergibt, als an Ermittlungsergebnissen festzuhalten. P5 führt in eine korrupte und ungerechte Welt, was auch schon im ersten Fall der Schattendiebe offensichtlich wird. Der Sportlehrer Kamoshida mit seinem Hang zu sexuellen, wie auch physischen Missbrauch wird nicht nur von Seiten der Schulleitung geschützt - auch die Eltern der ihm anvertrauten Schüler und einige von diesen selbst rechtfertigen Kamoshidas Methoden und Verhalten, weil er aufgrund seines Status als Träger einer olympischen Goldmedaille als Erfolgsgarant für das Volleyball-Team der Schule gilt. P5 ist unterm Strich eine Robin Hood-Geschichte, die auch mit einem Sherrif von Nottingham und King John aufwartet.
Der Erfolg von Persona 5 im Westen und der damit verbundene Durchbruch des Persona-Franchise in den Mainstream hatte wohl auch zur Folge, dass es mittlerweile 3 Spinoffs gibt. Die Persona-Spinoffs dürften auch in Zukunft noch weiter gehen, aber 2024 hat Atlus als Entwicklerstudio einiges vor, nicht nur in Hinsicht auf Persona als Franchise. Neben dem Persona 3 Remake (dass ich mittlerweile auch angefangen habe) ist auch eine für alle Plattformen verfügbare Enhanced Edition von Shin Megami Tensei V geplant, jenem Teil des Meta-Franchises also, aus dem Persona eigentlich als Spinoff hervorgegangen ist. Und im Herbst dürfte mit Metaphor: reFantazio sogar eine ganz neue Facette des Franchises erscheinen, denn mit Metaphor entfernt man sich ganz vom Japan der Gegenwart und begibt sich mit vertrauten Gameplay-Mechaniken in eine neue Fantasy-Welt, für die unsere Welt ein Utopia darstellen soll. High Fantasy Dystopia? Klingt interessant, ist vielleicht aber auch nicht ganz neu. Ich bin auf jeden Fall interessiert, weil ich die rundenbasierten Kämpfe strategisch ansprechend, aber auch "schonenend" finde. Schonend für die Tasten, die Nerven und den Zeitaufwand, denn man kann den Controller oder Handheld im Kampf auch mal beiseite legen, um sich der realen Welt zu widmen.