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Die Tragödie von SWTOR

Kennt ihr die Tragödie von SWTOR? Ein story-basiertes MMORPG, das als Spielwiese für Star Wars-Fans so faszinierend war, dass es es sogar einen Reboot des erweiterten Universums und den Verlust der Star Wars-Exklusivrechte für EA überleben konnte?  

SWTOR wurde so mächtig, es konnte sogar seinen 10. Geburtstag feiern. Doch unglücklicherweise hatte es da schon längst seinen Zenit überschritten. Ironisch, wie die "letzte Bastion des EU" durch simple Vernachlässigung zu Fall gebracht werden konnte.

 

So wie es aktuell steht ist das 2021 viel beschworene Jubiläumsjahr für SWTOR genauso enttäuschend wie der einst für Dezember geplante Start von Game Update 7.0 - wir warten immer noch darauf und wundern uns, ob und wann wir endlich etwas davon sehen werden. Man hat es 2022 nicht leicht ein SWTOR-Fan zu sein. Die letzten Jahre waren hart und einiges an Content musste verschoben werden. Die Hoffnung, dass SWTOR 2022 nun radikal aufholen würde hat sich ja nun nicht bewahrheitet. Aber so liegt SWTOR ja auch im Trend, in einer Welt in der alles noch schlimmer als ein Jahr zuvor zu werden scheint. Das ohnehin nicht groß angepriesene 7.0 wurde auch zu etwas, das eher so wirkt wie eine schnell gebastelte Demo oder ein Early Access mit dem man sich die eigentliche Entwicklung finanzieren will.

 

Vermutlich soll es das gewesen sein, 7.0 war wirklich 7.0 und auch der Marketing-Spin, dass der eigentlich Addon-Content über das Jahr verteilt kommen soll... täuscht darüber hinweg, wie krass minimalistisch dieses "Addon" ausgefallen ist. Man sollte es nie als solches bezeichnet haben. Wir wissen (vielleicht noch) nicht, ob diese krasse Entwicklung nun daran liegt, dass EA den Entwicklern in BioWare Austin langsam den Teppich unter den Füßen wegzieht oder ob es diese selbst sind, die irgendwann nach all den Problemen der letzten Jahre beschlossen haben auf ihre Weise gegen EAs Releasepolitik zu rebellieren, indem sie die üblichen Schauergeschichten hinsichtlich von EA-Veröffentlichungen wahr werden lassen. Die Luft scheint jedenfalls raus zu sein und selbst wenn es bisher meistens "nur" an Content gemangelt hat, 7.0 gibt scheinbar auch die Aspirationen auf, eine durchgängige Story erzählen zu wollen. 

 

SWTOR hat mal Spaß gemacht und auch wenn man immer wieder zig lose Fäden hinterlassen und dann erst Jahre später in Nebensätzen und offscreen beendet hat, man hätte über die 10 Jahre viel mehr aus dem Spiel machen können. Natürlich gibt es Einschränkungen, denn Leute kündigen, neue Mitarbeiter müssen erst eingeschult werden und der Wissenstransfer funktioniert auf Dauer irgendwann nicht mehr. Irgendwann geht immer irgendetwas verloren. Aber SWTOR war so einer der Fälle, wo es ohnehin nur stockend voran ging und gerade einmal schrittweise zu Entwicklungen kam. Nehmen wir etwa 2.0 her, das zumindest noch davon profitieren konnte, dass damals einige Überreste des Original-Teams an Bord waren. Auch 2.0 warf uns plötzlich einen gänzlich neuen Planeten, mit gänzlich neuen Söldnern und und einem Plot entgegen, der sich nach Karaggas Palast bestenfalls herbeispekulieren ließ. Und dann verschwanden die Hutten und die Regulatoren auch schon wieder von der Bildfläche, obwohl man sich gerade mit letzteren eigentlich eine brauchbare dritte Fraktion geschaffen hatte. Das einzige was 2.0 überlebte war die GSI, die später noch hin und wieder erwähnt wurde und auch der Mutterkonzern der DHORN-Initiative aka der Rakghul-Bekämpfungseinheit ist. Weyland-Yutani hat sich nie so sozial engagiert, wenn es um den Ausbruch von Xenomorphen aka ALIENS ging. Die GSI ist faktisch aber auch ein Bestandteil der eigentlichen Star Wars-Lore, da dieses Unternehmen als Waffenproduzent etwa auch schon in der Darth Bane-Trilogie erwähnt wurde.

 

Die Interstellaren Regulatoren als SWTOR-Version der Blackwater-Söldnergruppe zu inszenieren hatte durchaus das Potential, um SWTOR zu mehr als nur etwas Eskapismus zu machen. Leider ging man halt nicht soweit, die Gefahren einer Privatisierung staatlicher Gewaltmonopole zu thematisieren und wie dieser Trend am Ende zurück zu quasi-antiquierten Privatarmeen oder den Umtrieben krimineller Milizen führen kann. Makeb hätte in der Kritik bestimmter US-Medien damals zu weit mehr als dem "Regenbogen-Planeten" (nur weil es mit Lord Cytharat und Lemda Avesta zwei gleichgeschlechtliche Romanzen gab) werden können. Das Huttenkartell als Oligarchie hätte zudem auch etwas mehr Rampenlicht vertragen können. Man vergisst ja fast, dass das "Kartell" nicht bloß eine kriminelle Organisation ist, sondern auch einen auf einem einstigen Hutten-Imperium basierenden Nachfolgerstaat darstellt. Torborro und sein Archon Szajin wollten das oligarchische Kartell wieder in ein zentralisiertes Imperium unter einem Großmogul umbauen. Dafür mussten sie scheinbar nicht einmal viel tun, denn der Archon Szajin schien bestens über alle möglichen Rivalen Torborros informiert zu sein und diese in Schach zu halten. Die Story auf Makeb hätte tiefer gehen können, als so ein Springbrunnen auf den verwüsteten Tafelbergen. Leider wurde eben nichts daraus. In einer Serie hätte Makebs Story wohl für eine ganze Staffel gereicht. Am Ende gab es zumindest auf republikanischer Seite sogar von Torborro und Szajin komplett eingeschüchterte Hutten von Makeb zu retten, die entweder dessen Verbündete oder De-facto-Geiseln gewesen sind. Und so bekommt die Republik aus Dankbarkeit dann ihre Allianz mit dem Hutten-Kartell, die nach Makeb aber erst mal wieder in Vergessenheit gerät, ehe sie in Rusks Nebenmission aus KotFE zumindest als Grund erwähnt wird, warum sich die Republik nun darum kümmert "kriminelle Elemente" wie die Black Sun auf Nar Shaddaa zu bekämpfen. Wie gesagt, das Kartell ist eigentlich ein Staat und die Gangkriege mit der Exchange oder Black Sun auf Nar Shaddaa sind somit auch Zusammenstöße der legitimen "Staatsgewalt" des Hutten-Kartells mit "Kriminellen". Die Hutten haben das geschafft, wovon Pablo Escobar mit seiner politischen Karriere nur träumen konnte.

 

Die Wandlung der Revaniter, von querdenkenden Kultisten in der Wildnis auf Dromund Kaas zu einer strammen Miliz im Dienste eines schwer vernarbten und traumatisierten Revans ist auch eines der Dinge, aus denen man mehr hätte machen können. So ganz wurde die Geschichte ja nie geklärt, wie sich die Revaniter nach Revans "Wiederauferstehung" so stark wandeln konnten. Wir konnten nur ansatzweise sehen wie Revan eben schon im Vorfeld seines vermeintlichen Todes Verbündete unter den Truppen der Republik gewann. Jedi und selbst normale Soldaten meldeten sich allem Anschein nach in ganzen Scharen, um dieser wiederauferstandenen Legende beizustehen. Die Revaniter sind und bleiben aber trotzdem eine imperiale Sekte und so sehr man auch die Augen dabei zusammenkneift, so eine imperiale Sekte ist damit auch als Splittergruppe des Sith-Ordens anzusehen, denn immerhin rekrutierten die Revaniter bis zur Rückkehr ihres Messias ausschließlich aus den Reihen des Sith-Imperiums. Selbst die von Revan geführten Fanatiker umfassten nur die Überreste der republikanischen Anhängerschaft Revans, die ihn wohl zur Fabrik begleiten wollte. Aus einer imperialen Nebenstory auf Nar Shaddaa wissen wir aber auch, dass der gute alte Darth Revan womöglich unabsichtlich einige ihm treu ergebene Kulte gegründet haben könnte, die sich nach 300 Jahren sicher auch gerne den Revanitern angeschlossen hätten. SWTOR hat wirklich eine große Chance damit vergeben aufzuzeigen, woher die Revaniter stammten und ob diese wie die Mandalorianerin Ceta Farr auf Dromund Kaas nicht auch Nachfahren einstiger Revan-Verehrer waren. Drew Karpyshyns Revan-Roman kanonisierte außerdem das aus KotOR II bekannte Versprechen Canderous Ordos aka Mand'alor des Bewahrers, dass er und die seinen Revans Ruf zur Schlacht folgen würden. Doch Karpyshyns Roman scheint in Austin ohnehin schnell in Vergessenheit geraten zu sein, wenn man bedenkt, dass das Canderous-Versprechen, sowie Lord Scourges Verhältnis zu Revan und dem Sith-Imperator lange Zeit unter den Teppich gekehrt wurden. Was an Erklärungen und Zusammenhängen unbeleuchtet blieb durfte man sich als Fan selbst ausdeutschen, denn SWTOR ist ja ein MMO und da soll die Community auch eingebunden werden und etwas beitragen dürfen.

 

In der Geschichte des Spiels SWTOR gab es aber immer auch die Frage, ob sich die Story finanziell lohnt. Vollvertonung, Animationen usw. kosten Zeit und Geld, wenn sich die Story dann aber nicht dafür eignet via Abos oder Kartellmarktangeboten Geld in die Kasse zu spülen hatte man nichts davon. Die Wahrheit ist, viele von uns haben SWTOR nach der vielleicht halbstündigen Story eines Contentupdates dann erstmal liegen gelassen. An sich noch kein so großes Problem, wenn man dafür in ein Abo investieren musste. Aber das Spiel lebt halt vom gängigen Grind. Nur wenn Spieler täglich und über Wochen oder Monate einloggen wirkt SWTOR auch lebendig. Wiederholbare Storykapitel, Solo Mode Flashpoints, aber auch leicht solobare Dailies mit zumindest etwas Atmosphäre waren der Versuch den Markt zu bedienen, der sich statt SWTOR eher ein KotOR Online oder KotOR 3 gewünscht hätte. Über die Jahre ist SWTOR zumindest meiner Meinung nach in seiner Nische versunken und wird dahin gemolken. Während die Kosten natürlich steigen, yürften die Einnahmen bestenfalls stagnieren. Die Preise für Kartellmünzen und Abos sind gleich geblieben, während wir uns vielleicht wundern, warum die Abstände zwischen den Updates immer länger wurden. So gesehen kann man mit SWTOR auch keine Berge mehr versetzen, aber trotzdem wagt man eine auf den ersten Blick kontraproduktive Strategie - man bewirbt den Vanilla Content und verbessert die Features für die existierende Story-Kampagne, statt konsequent das Endgame mit neuen Storylines auszubauen. In der BWL wird gerne gepredigt, dass es günstiger ist ehemalige Kunden zurückzugewinnen, als neue Kunden anzuwerben. Bevor jetzt der erste wutschäumend schnaubt, dass das nicht stimmen kann, wenn einem von einem Entwickler brutal das Herz gebrochen wurde - man meint damit eher Kunden die halt einmal etwas von einem gekauft haben und seither nicht mehr. Eine Marke oder ein Produkt neu zu erfinden oder zu Rebranden wäre sonst die einzige Lösung, um eine alternde Cashcow noch einmal zu verjüngen. So ein Rebranding lief mit 4.0 an und endete in 5.0 - ganz auf Kosten der Multiplayer-Fans. 4.0 war mehr als nur der Versuch das Produkt SWTOR neu zu verkaufen, man ging tatsächlich dazu über auf gewisse Contentarten zu verzichten, um diesem Image eines Knights of... Nachdruck zu verleihen. Diese Phase des all-new SWTOR ging mit einer Rückkehr zur klassischen Formel vorüber. Und seither dümpelt das Spiel so vor sich hin. Hin und wieder versucht man den ehemaligen Spielern ins Gedächtnis zu rufen, dass es SWTOR noch gibt und warum sie dieses Spiel einst geliebt haben. Warum man es vergessen hat, darf man dann später selbst herausfinden. Und was wurde denn am meisten gefeiert? Der Vanilla Content, dementsprechend bemüht man sich diesen aufzuhübschen. Und siehe da, es gibt allerlei Outfits mit denen man sich jetzt einkleiden kann. All das dient natürlich auch neue Spieler anzuwerben und gleich mal auf Monate in den Bann zu schlagen. Die ersten 8-16 Playthroughs punktet SWTOR ja noch mit seiner beeindruckenden Story und Contentdichte. Hunderte Stunden Content sind da auch kein so schlechter Deal, denn als Neueinsteiger bekommt man immer noch die besten Seiten der Alten Republik zu Gesicht. Bis man einmal bei den frustrierenden Stellen, wie der Story von 7.0 angekommen ist könnten Monate vergehen, nach denen man die Verbitterung der Veteranen nur entfernt nachvollziehen kann. Der Frust kommt später, wenn man ein Jahr auf die nächste Zeile einer Story warten muss. Zwischen neuen Kriegsgebieten oder Operationen liegen oft auch Jahre und das einzige worauf man sich noch verlassen kann, ist dass es pro Jahr zumindest einen neuen Flashpoint für 4 Personen geben sollte. Kaum ein RPG bringt es über einen Year One DLC Pass hinaus und auch dann ist der Erfolg oft rückläufig. MMOs spielen zwar in einer anderen prestigeträchtigeren Kategorie, wo man das Unwort DLC meiden kann, aber seit Jahren leiden auch MMOs verstärkt darunter, dass die MMOifizierung des RPG-Genres mit Dailies, Weeklys, Lootspiralen usw. auch dazu führt, dass für unbdarfte jüngere Spieler nicht mehr so klar ist, wo nun der Unterschied zwischen einem MMO und einem RPG mit Onlinekomponente liegen soll. Ja, ein MMO ist meistens doch noch massiver, mit Content für 8+ Spieler... aber gerade dessen Entwicklung hinkt bei SWTOR ja auch deshalb nach, weil er zuviel Koordination und Engagement erfordert. Die Ops sind in SWTOR nicht das massive Verkaufsargument und schon gar nicht mehr Casuals. Angesichts der 10 Jahre alten Engine hinkt SWTOR in vielen Bereichen hinter der jüngeren Konkurrenz unter den Online RPGS nach. Ich selbst würde ja auch lieber gegen einen skalierbaren Boss mit 2 Mitstreitern antreten, als auf den vierten Mann oder eine Opsgruppe warten zu müsse. Spiele wie Monster Hunter World lassen einen immerhin auch mächtige Bosse legen, ohne vollständige Gruppen zu verlangen und man kann sich laufend mit Tränken heilen, etwas das in SWTOR unmöglich ist, weil im PVE-Balancing enginebedingt stezs auch PVP berücksichtigt werden muss. PVP-Nerfs die es hin und wieder unmöglich machen ohne Wipes oder viel Frust durch Story-Content zu kommen gehören in SWTOR nun einmal dazu, fallen einem in 6 Monaten am Beginn des Spiels jedoch meistens noch nicht so auf. Andere Spiele trennen PVE und PVP-Effekte einfach, SWTOR kann das nur neben nicht und wirkt so gleich mal altmodisch.