Es ist schon eine Weile her, dass ich noch fast jeden freien Tag mit einem Spiel der Total War-Reihe verbracht habe, aber dieses rundenbasierte Strategiespielreihe war so nebenbei auch eine meiner ersten RP- und Fan Fiction-Erfahrungen...
RP gibt es in den verschiedensten Formen, da sollte es eigentlich nicht überraschend sein, dass man auch klassische Strategiespiele auf diese Weise spielen kann. Trotzdem wird es auf den ersten Blick wohl etwas seltsam wirken, wenn ich sage, meine erste aktive RP-Erfahrung war in einem Total War-Spiel, vor allem weil ich Jahre später im waschechten MMORPG Star Wars: The Old Republic nie auf RP-Servern oder in RP-Gilden vertreten war. Und ich habe in SWTOR eigentlich auch keine Fan Fiction geschrieben, jedenfalls in gängiger Prosa-Form. Man könnte natürlich argumentieren, dass einige meiner Lore-Analysen durchaus schon in Richtung RP gingen und sich in dieser Schublade sogar wohl fühlen könnten.
Meine faszinierende Begegnung mit dem Thema RP in Strategiespielen begann damit, dass ich in einem Forum zu Medieval II auf Zusammenfassungen der großen Kampagne gestoßen bin. Für Nicht-Kenner, die große Kampagne erlaubt es quasi frei und ohne Zeitlimit mit seiner gewählten Fraktion nach der "Weltherrschaft" zu streben. Diese Kampagnen können zig Stunden dauern und verlaufen aufgrund der KI und eigener Entscheidungen alles andere als historisch, weshalb man auf diese Weise tatsächlich seine eigene alternative Geschichte schreibt. Das dann in Worte zu fassen und irgendwo zu veröffentlichen kann durchaus spaßig sein, denn in Medieval II hat man einen eigenen Stammbaum mit seinen Königen, Prinzen und zur Familie gehörigen Generälen. Es ist zwar nicht möglich diese Charaktere selbst zu benennen oder zu gestalten, aber man kann trotzdem einigen Spaß damit haben durch Erfolge einzelne Werte eines Generals zu erhöhen.
Zumindest für mich hatte es halt etwas für sich unter einem venezianischen Dogen namens Marino in mühevoller Kleinarbeit Italien zu unterwerfen und sogar einen durch den Papst gegen mich ausgerufenen Kreuzzug zu überstehen, nur um noch in der Lebenszeit des gleichen Dogen die Machtverhältnisse so zu Gunsten Venedigs zu verschieben, dass ab einem gewissen Zeitpunkt alle Päpste von meinen venezianischen Kardinälen bestimmt werden konnten. Aus so einem Playthrough eine Game of Thrones-Kopie zu machen (bevor Game of Thrones als Serie anlief) war meiner Ansicht nach die große Herausforderung, denn egal was in der Kampagne passiert (wenn ein General einmal von einer anderen Fraktion abgeworben werden sollte oder man den designierten Erben seiner Fraktion ändert, da man einen perfekten künftigen Fraktionsanführer gefunden zu haben hofft) man kann es in eine spannend zu lesende Form bringen. Das Spielerlebnis früherer Total War-Titel war für mich allerdings auch immer stark von den existierenden Features und einer Menge Mods abhängig. Ohne Mods hätte ich schnell mein Interesse an diesen Spielen verloren, da die Weltkarte oft genug viel zu klein für meine gigantischen Ambitionen war. Mods machten auch oft die Generäle interessanter, denn man konnte seine Schlachten damals auch problemlos mit einem gesichtslosen Hauptmann schlagen, sollte eine Armee keinen General haben. Diese Hauptmänner konnten nach besonders spektakulären Siegen jedoch auch zu Generälen werden, wobei man sie in seine Familie adoptierte. So ein Adoptivsohn konnte dann sogar zum Fraktionserben ernannt werden. Vielleicht hat das ganze auch etwas von den Sims, aber es war spaßig so eine Dynastie zu verwalten, selbst wenn man dazu nicht allzu viele Tools zur Verfügung hatte.
Spiele wie Paradox Interactives Crusader Kings haben wohl von diesen Erfahrungen gelernt und bieten deutlich mehr "RP-Features" als einst. Man hat den Spaßfaktor daran erkannt, wobei es jedoch auch eine Rolle spielt, dass man früher als Entwickler noch mit viel grundlegenderen Problemen beschäftigt war. Manche Features waren da wirklich nur eine Nebensache und Modder konnten und durften einen wertvollen Beitrag zur Popularität von Spielen leisten. Mit dem Aufstieg von DLCs und der kommerziellen Ausschöpfung von Potentialen die einst in den Händen engagierter Communitys lagen hat sich allerdings alles geändert. Einheiten-Packs, zu kaufende zusätzliche spielbare Fraktionen oder sogar neue Kampagnen-Maps erhielt man in Form des einen oder anderen Mods früher kostenlos, heute soll man sich diesen Zusatzcontent jedoch kaufen.
RP-Features sind heutzutage auch einigermaßen Mainstream, sodass man aus der Not keine Tugend mehr machen muss. Und vor Total War hätte ich auch nicht daran gedacht, einem namenlosen Commander eine Persönlichkeit und Hintergrundgeschichte anzudichten. Es ist aber auch eine feine Gratwanderung bei der Implementierung von RP-Features nicht auch zu sehr vorzubestimmen welche Eigenschaften ein Charakter haben muss. In RPGs ist man meist kein unbeschriebenes Blatt, sodass einem auch gewisse Projektionsflächen fehlen. Ironischerweise liegt genau darin das Problem für manche RP-Fans, denn je mehr Charakterstory ingame ausgestaltet wird, desto weniger bleibt der eigenen Fantasie überlassen.