Tyrannisch und größenwahnsinnig, so ließe sich Jedi-Meister Jorus C'baoth wohl am einfachsten beschreiben, doch auf den ersten Blick hatte er auch die eine oder andere gute Idee...
Ein Artikel über einen Legends-Jedi-Meister in der Kategorie SWTOR? Ja, weil es Spaß macht über die möglichen in-universe und out-of-universe Bezüge innerhalb der Lore zu spekulieren. Und Jorus C'baoth würde sich in-universe wohl als Visionär bezeichnet haben, der seine ganz eigene Jedi-Kolonie erschaffen wollte, womit er sich auch auf Gnost-Durals Kolonialisierungsversuch auf Ossus bezogen haben könnte.
Bleiben wir bei den historischen Grundlagen, dann wird Jorus C'baoth erst in rund 3600 Jahren geboren, es könnte jedoch sein, dass ein derart stolzer Jedi-Meister wie C'baoth durchaus in den Jedi-Archiven die glorreiche Vergangenheit seines Ordens studiert hat und dabei die Inspiration für seinen größten Traum fand - Outbound Flight. Das Außergalaktische Flugprojekt war C'baoths Lebenstraum und umfasste einen Plan der Republik ein Kolonieschiff mit tausenden Kolonisten auf eine Reise in die Unbekannten Regionen und darüber hinaus zu schicken, mit dem fernen Ziel eine fremde Galaxis zu erreichen und zu besiedeln.
Outbound Flight war eine Kopfgeburt Meister C'baoths, der nicht nur den Pitch dieser Idee an den Senat und den obersten Kanzler vorbrachte, sondern auch einen Großteil der Lobbying-Arbeit übernahm. Kolonialisierungsprojekte dieser Art mochten für die Republik an sich nicht hoch auf der Tagesordnung stehen, doch C'baoth erwies sich als enorm unnachgiebig und konnte sich wohl auch in der wissenschaftlichen Gemeinschaft einige Verbündete schaffen. Das Ziel Outbound Flights wäre es auch gewesen die Unbekannten Regionen zu erforschen, um so neue Kulturen, Völker und Machtsensitive zu entdecken. An sich ein nobles wissenschaftliches Projekt, wäre Outbound Flight nicht einen blutigen Konflikt zwischen den Vagari und den Chiss hinein geraten, welcher mit dem Absturz auf einer lange Zeit nicht identifizierbaren Welt in den Unbekannten Regionen endete.
Natürlich gäbe es noch mehr über Outbound Flight zu erzählen, etwa die Suche nach dem Planeten Zonama Sekot, der verschollenen Jedi-Meisterin Vergere, der Bedrohung durch die so genannten Far Outsiders, die Konflikte unter den regierenden Familien der Chiss, Darth Sidious Pläne das Projekt zu sabotieren, um auf einen Streich mehrere Jedi-Störenfriede zu eliminieren oder auch wie die Zerstörung Outbound Flights Commander Mitth'raw'nuruodos Karriere beeinflusste. Aber ich möchte wegen der möglichen Vorbildwirkung von C'baoths Umgang mit Machtsensitiven und den Regeln des Jedi-Ordens vor allem diesen Aspekt ins Rampenlicht rücken.
Als Kolonialisierungsprojekt der Republik, das von einem Jedi-Meister initiiert worden ist hatte Outbound Flight natürlich eine Präsenz des Jedi-Ordens an Bord, doch als Leiter dieses Kontigents hatte Jorus C'baoth zunächst ein Problem: er durfte nur Jedi-Ritter rekrutieren, die sich ihm freiwillig anschlossen. Somit kam er schlussendlich auf die doch nicht zu verachtende Zahl von 6 Jedi-Meistern und 12 Jedi-Rittern. Angesichts der Zielsetzung des Projekts war C'baoth das jedoch zu wenig und er musste einen Plan entwickeln, um die Zukunft des Jedi-Ordens voraussichtlich für die nächsten Jahrzehnte oder sogar darüber hinaus zu sichern. Für C'baoth war klar, dass er abseits der Kontrolle durch den Jedi-Rat als ranghöchster Jedi-Meister wohl sehr einfach einige der Regeln des Jedi-Ordens aushebeln konnte und so schritt er zunächst zur Tat indem er machtsensitive Kinder als Padawane auswählte, welche bereits im Alter von 5-10 Jahren waren. Und C'baoth ging noch einen Schritt weiter, denn im Bewusstsein, dass sich Kontakte dieser Padawane mit ihren Familien in Zukunft ohnehin nicht vermeiden ließen setzte er die Regeln zur Bindungslosigkeit des Jedi-Ordens außer Kraft. Die künftigen Padawane konnten also damit rechnen ihre Familien hin und wieder besuchen zu dürfen, auch wenn ihre Ausbildung an ein Jedi-Internat erinnerte. In der Theorie ist das der Aspekt von C'baoths Rekrutierungspolitik den ich am meisten bewundere und gut heiße, auch wenn C'baoth bei der Rekrutierung seiner Padawane wenig Raum für Freiwilligkeit ließ. Machtsensitive Kinder mussten rekrutiert und ausgebildet werden, womit er den ersten Schritt zum Tyrannen von Outbound Flight unternommen hatte.
Ich würde mich fragen wie Meister Gnost-Dural sich die Zukunft seiner Jedi-Enklave auf Ossus vorgestellt hatte, denn auch wenn Jedi-Meister selbst im fortgeschrittenen Alter noch eine ungewöhnliche Fitness aufweisen können, sie wären nicht unsterblich und die Zukunft des Ordens liegt immer in den Händen der Jugend. Wie dachte Gnost-Dural also daran den Orden fortzuführen, wenn man von der Außenwelt abgeschnitten wohl kaum auf die Suche nach machtsensitiven Kindern gehen konnte? Neben den nach Ossus geflüchteten Jedi, hatte Gnost-Durals Kolonie auch technisches und medizinisches Personal aufgenommen, sowie einige Farmer und willige Kolonisten. Gnost-Dural wusste als Jedi-Historiker wohl sehr genau wie die Jedi einst Tython und auch Ossus besiedelt hatten. Es gab Jedi-Familien und so lebten Jedi Seite an Seite mit Nicht-Jedi, wobei die Nachfahren der Bevölkerung von Ossus durchaus überlebt hatten, auch wenn sie sich während Gnost-Durals Aufenthalt nicht zeigten. Die Ysanna waren ein Volk, das die Katastrophe auf Ossus überlebt hatte, indem sie sich tief in die Höhlen des Planeten geflüchtet hatten. Dieses Volk ging wahrscheinlich aus einem Teil der menschlichen Bewohner des Planeten hervor und als eine typische Besonderheit ihrer Abstammung war ein Großteil der Ysanna zumindest schwach machtsensitiv.
Machtsensitive mit einem ausreichend hohen Midichlorianerwert oder Jedi-Potential treten "in freier Wildbahn" eher selten auf. Der Jedi-Orden beschäftigte vor allem nach der Ruusan-Reformation (welche in SWTOR noch 2600 Jahre in der Zukunft liegt) deshalb Jedi-Scouts, welche gezielt nach möglichen Kandidaten suchen sollten. Bis zur Ruusan-Reformation gab es zumindest laut wohl keine Regelung, die verboten hätte Jedi im Kindes- oder Teenageralter aufzunehmen oder auch abseits des Tempels von Coruscant auszubilden. Verglichen mit den Jedi in Episode 1 wäre Gnost-Durals Orden also ziemlich locker mit der Frage umgegangen, ob man einen 9jährigen Ex-Sklaven in den Orden aufnehmen kann. Es ist doch immer wieder erfrischend, dass SWTOR ohne die Einschränkungen durch die Ruusan-Reformation auskommt.
Etwas problematischer erscheint da schon die von Jorus C'baoth vorgenommene Auswahl der Kolonisten von Outbound Flight, da er gezielt mehr oder weniger schwach Machtsensitive ausgewählt hatte, um so die Chancen auf machtsensitiven Nachwuchs während der Reise zu erhöhen. Hätte er diese Information nicht geheim gehalten und damit das Ziel verfolgt seine Jedi als herrschende Klasse der Expedition zu etablieren, könnte man vielleicht C'baoths Geniestreich bewundern, der damit langfristig gesehen eine Kolonie des Jedi-Ordens vor den Klonkriegen, Order 66 und Darth Sidious Jedi-Verfolgung bewahrt hätte, um zu einem späteren Zeitpunkt zurückzukehren und dabei das Regime der Sith zu stürzen. Was C'baoth nicht gelang könnte Gnost-Dural gelungen sein, denn das Überleben seiner Kolonie sicherte der Republik das Überleben nach Darth Malgus Rückkehr.
Gnost-Durals geheime Kolonie entspricht auch einem Konzept, welches vom Jedi-Orden nach Order 66 etabliert wurde - einem geheimen Jedi-Tempel als Rückzugsort in Zeiten einer Jedi-Verfolgung. Diese Idee wurde auch besonders in der Legacy-Ära (Jahrzehnte nach Endor) neuerlich relevant, als zunächst Darth Caedus und schließlich Staatschefin Daala den Jedi-Tempel bzw. die Jedi-Akademie bedrohten (Caedus hielt die Lehrer und Jedi-Anwärter der Jedi-Akademie als Geiseln, um den Jedi-Orden zur Unterstützung seiner Politik zu erpressen). Als es durch Darth Krayts-Sith-Orden zum Massaker auf Ossus kam, zog sich der Jedi-Orden schließlich in seinen neuesten verborgenen Tempel zurück. Rückblickend könnte man sagen, dass Gnost-Durals Jedi-Kolonie vielleicht spätere Generationen zu dieser Lösung inspiriert hat (auch wenn es out-of-universe ein Retcon wäre, da die verborgenen Tempel in den Comics schon Jahre vor Game Update 5.10 existierten).
Gezielt ein Reservoir für möglichen Jedi-Nachwuchs anzulegen ist meiner Meinung nach ein Geniestreich, der aber auch einem Zuchtprogramm nahe kommt und daher wohl sehr unnatürlich für einen Jedi-Meister wirken würde. Die Beeinflussung der Natur oder ihre Kontrolle ist etwas, das schlussendlich Macht-Alchemie hervorbrachte, wie sie die Je'daii auf Tython betrieben. Diese Kunst die Natur dem Willen eines Machtnutzers zu unterwerfen erwies sich jedoch über die Jahrtausende als Weg zur dunklen Seite, weshalb die 100jährige Dunkelheit auch zu einem Krieg zwischen den "Naturfreunden" in Form des Mainstream-Jedi-Ordens und den "dunklen Jedi" unter Ajunta Pall wurde, welche sehr aktiv die Vor-Form von Sith-Alchemie betrieben, mit der sie sich auch Kriegsbestien und andere biologische Waffen erschaffen hatten. Von einem Zuchtprogramm bis zur "Sith"-Alchemie ist es aus Sicht der Jedi wohl kein weiter Weg. Selbst Darth Tenebrous, der spätere Sith-Meister eines gewissen Hego Damask aka Darth Plagueis nutzte sein mathematisches Verständnis der Welt (eine typische Eigenschaft seiner Spezies) um sich seinen idealen Sith-Schüler zu züchten, indem er Hego Damasks Vater eine machtsensitive Konkubine zuführte, von der er sich einen besonders machtsensitiven Sohn erwartete. Womöglich war sogar Plagueis kurzzeitiger Rivale "Darth" Venamis ein unter ähnlichen Bedingungen gezeugter biologischer Sohn von Darth Tenebrous. Selbst Palgueis wahrscheinliche Involvierung in die Geburt Anakin Skywalkers ließe sich in dieser Tradition der Manipulation der Natur sehen.
Die gezielte Zeugung eines Potentialträgers ist jedoch auch in anderen Fantasy und Science Fiction Franchises der wichtige Bestandteil von in moralischen Graubereichen operierenden Organisationen, wie den Bene Gesserit in Dune (deren Auserwählter den Titel Kwisatz Haderach trägt und in Gestalt von Paul Atreides tatsächlich geboren wird) oder der Bruderschaft der Zauberer in The Witcher (welche ihre Auserwählte in Gestalt des "Child of the Elder Blood" Ciri erhielten). Beide genannte Gruppierungen gingen allerdings sehr unterschiedlich vor, die Bene Gesserit nutzten ihre Mitglieder etwa dazu selbst das entsprechende genetische Material weiterzugeben, indem sie sich auch als Konkubinen prostituierten. Die Bruderschaft der Zauberer nutzte hingegen ihre Machtbasis als Berater der verschiedenen Königsgeschlechter, um Ehen zu arrangieren und so den gewünschten Auserwählten hervorzubringen.
Würde man sich dem Willen der Macht hingeben, so würde man wohl darauf vertraut haben, dass der Jedi-Orden schon durch den Segen der Macht genügend Machtsensitive finden wird, um zu überleben. Es ist ja doch eher eine Sith-Eigenschaft die Macht oder die Midichlorianer seinem eigenen Willen oder Wunsch zu unterwerfen. Gnost-Durals Vertrauen in den Willen der Macht hätte somit wohl auch die gezielte Rekrutierung von Machtsensitiven überflüssig gemacht, da er wohl davon ausgegangen wäre, dass die Macht schon dafür sorgen würde, dass genügend künftige Padawane in seiner Kolonie geboren werden. Selbst wenn dies nicht eingetreten wäre, früher oder später hätten die Kolonisten wohl auch Kontakt zu den machtsensitiven Ysana hergestellt, die sich auf Ossus versteckt hielten. Ein blühendes Ossus hätte die Ysana aus ihren Verstecken gelockt und zu einem Bevölkerungsanstieg geführt, der auch umso mehr potentielle Jedi mit sich gebracht hätte. Aufgrund der langen Lebensdauer mancher Alien-Spezies hätten einige Jedi-Meister wohl auch mehr als ein Jahrhundert Zeit gehabt um ihr Wissen weiterzugeben.