Unter all den kontroversen Dingen, die Episode VIII mit sich brachte, kann ich zumindest einem etwas positives abgewinnen...
Star Wars gilt als Fandom sehr innovationsfeindlich und man könnte es schon sehr konservativ nennen, denn am ehesten kann man sich noch der Unterstütztung einer breiten oder zumindest vokalen Masse der Fans sehen, wenn man auf bewährte Formeln und Charaktere setzt. Diese Mutlosigkeit ist jedoch nicht erst ein Problem der Sequel-Ära, sondern plagt das Franchise seit den 90ern und damit sogar schon vor Lucas Prequel-Ära, die auch zu wenig von der gewohnten OT-Ästhetik verkörperte. Es gab natürlich immer wieder Vorstöße sich in eine ungewohnte Richtung weiterzuentwickeln und gerade die Prequels (parallel zu The New Jedi Order/Erbe der Jedi-Ritter im EU) schufen den Eindruck, dass sich Star Wars am Beginn des 21. Jahrhunderts über die OT hinaus entwickeln könnte. In der Prequel-Ära gab es nun Anakin Skywalker und im EU hatte man es gewagt, zunehmend auf die Young Jedi Knights zu setzen. Doch dann ruderte das Lucasfilm-Imperium zurück, da man die über die Prequels verärgerten OT-Fans auch mit der längsten Buchreihe in der Geschichte des Expanded Universe verärgert hatte. George Lucas segnete den Tod Chewbaccas ab, doch solange er am Ruder war blieb es unvorstellbar, dass einer der großen Drei jemals das Zeitliche segnen würde. Ironischerweise wurden alle großen Drei nun in der Disney-Ära gleich publikumswirksam aus dem Weg geräumt.
In den Legends war es wahrscheinlicher, dass Kinder oder sogar Enkelkinder der großen Drei das Zeitliche segnen, als dass diese aufgrund ihres Alters (Han Solo war in seinem letzten Legends-Auftritt auch schon in seinen 70ern) irgendwann an den falschen Gegner geraten würden. Die Situation in den Legends war schlussendlich eine, in der man sich nicht von seinen über das EU hinaus bekannten Urgesteinen lösen konnte, da man fürchtete so den Wiedererkennungswert zu verlieren. Trotzdem versuchten es manche Autoren Luke aus ihren Geschichten fern zu halten, doch die Kritik blieb für solche Versuche eben auch nie aus. Eines der mutigsten Projekte gegen Ende der Legends-Ära war noch der Plan eine SWORD OF THE JEDI-Trilogie zu veröffentlichen, welche sich im Anschluss an das letzte Großprojekt FATE OF THE JEDI (dessen 9 Bände im deutschen unter dem Titel VERHÄNGNIS DER JEDI-RITTER veröffentlicht wurden) auf die frisch gebackene Jedi-Meisterin Jaina Solo konzentrieren sollte. Gleichzeitig hatte Han und Leias Enkelin Allana Solo zu diesem Zeitpunkt ihre Ausbildung an der Jedi-Akademie begonnen und alles schien auf eine Zukunft hinaus zu laufen, in der sich Star Wars nach Endor tatsächlich ganz auf EU-Charaktere konzentrieren könnte. Sogar Lando Calirssian bekam einen Sohn. Der Plan war wohl über die kommenden Jahre innerhalb der Star Wars-Romane allmählich den Brückenschlag zu den Star Wars Legacy-Comics zu vollziehen, welche sich zwar auch so manchen Feind gemacht hatten, aber trotzdem die Zukunft der weit weit entfernten Galaxis darstellten. Bis zu Cade Skywalkers Geburt hätte man aber noch fast 100 Jahre überbrücken müssen, in denen Luke Skywalker dann auch irgendwann eins mit der Macht geworden wäre.
Eines der Probleme des Expanded Universe war es allerdings, dass nicht allzu viele Geschichten wirklich den Kultfaktor einer Thrawn-Trilogie erreichen konnten und jeder Autor versuchte auf seine Art Star Wars neu zu erfinden oder neu aufzulegen. Imperiale Superwaffen wurden zu einem running gag, ebenso wie die Entführung von Mitgliedern des Skywalker-Solo-Clans. Man merkte jedoch auch, dass nicht jeder Autor mit dem vollen Cast umzugehen wusste und so stellten vor allem Charaktere wie Lando Calrissian, Han Solo oder sogar Leia die meisten Autoren vor ein Problem. Gerade Leias Jedi-Ausbildung litt unter den unterschiedlichen Vorstellungen von Zahns Nachfolgern. Luke war hingegen immer mit von der Partie und wurde als mächtigster Jedi-Meister der Galaxis immer wieder unter seinem Wert verkauft, sodass sich jeder Darth Vader-Imitiator zeitweise als unbezwingbare Gefahr darstellte. Einzig in der LEGACY OF THE FORCE-Reihe (WÄCHTER DER MACHT 1-9) wurde Luke durch seinen Widersacher Darth Caedus entsprechend seiner Fähigkeiten gewürdigt, denn selbst der Universalgelehrte Caedus, der mehrere Jahre damit verbracht hatte Macht-Techniken verschiedenster Orden zu studieren, rechnete damit seinen Onkel bestenfalls unter erheblichen Verlusten besiegen zu können, wobei er auch nicht ausschloss, einem entfesselten Großmeister Luke Skywalker schlussendlich doch unterlegen zu sein. Diese Allmächtigkeit Lukes wurde meiner Meinung nach zu einem weiteren Problem des EU, denn in den 90ern wurde auch Kyp Durron eingeführt, dessen Potential angeblich sogar Lukes übertreffen konnte. Und Leia, die hätte doch das gleiche Potential wie Luke haben sollen? Nein, in den Legends hatte es sich spätestens nach der NJO-Reihe so festgesetzt, dass Luke der mächtigste Machtanwender der Galaxis sein musste. Zuvor hatte es so gewirkt, als hätten Kyp Durrons rohes Macht-Potential und Jacen Solos gestärkte Verbindung zur Macht Luke etwas in den Schatten gestellt, doch das wurde in der DARK NEST-Trilogie (DUNKLES NEST) neben verschiedenen anderen Dingen schnell korrigiert. DARK NEST verlagerte das Zentrum der Galaxis wieder nach Coruscant, inklusive eines neuen Jedi-Tempels, Jedi-Rats und Jedi-Großmeisters. Außerdem wurde mit der gesamten liberalen Machtphilosophie aus den NJO-Romanen aufgeräumt, welche sich zuvor noch als entscheidend für den Sieg gegen die Yuuzhan Vong erwiesen hatte.
Disney hat Luke Skywalker ermordet und den Jedi-Orden in die Hände einer völlig neuen Generation gegeben, die ähnlich wie Luke nach Endor bei 0 anfangen muss. Zumindest hat Episode IX dafür gesorgt, dass Rey durch Leia eine ähnliche Jedi-Ausbildung wie Luke vor Episode VI erhalten hat. So sehr ich Rey in Episode VII und VIII dafür kritisiert habe, dass sie es mit ausgebildeten Machtnutzern wie Kylo Ren oder der für den Kampf gegen Jedi trainierte Leibwache Snokes aufnehmen kann, in Episode IX hat Rey zumindest ein Jahr Training hinter sich. Zumindest stehen Rey einige Texte zur Verfügung die Luke vor Episode VI nicht erhalten hat. Trotzdem würde ich argumentieren, dass sich der Neubeginn des Jedi-Ordens nach Episode IX mit jenem in den Legends vergleichen lässt. Luke Skywalker standen in den Legends ja auch keine umfangreichen Ordensarchive zur Verfügung und er musste selbstständig Artefakte und Relikte des Ordens sammeln, wobei er später auf die Jedi-Historikerin Tionne Solusar vertrauen konnte. Rian Johnson ließ Luke Skywalker den Heldentod sterben, damit ein neues Expanded Universe zumindest die Chance erhält ohne die Glorifizierung eines "Boomers" auszukommen. In den Legends hatte LotF diesen Generationskonflikt ja bereits thematisiert, indem Lukes Generation dafür kritisiert wurde, das Imperium zerstört und durch eine schwache Neue Republik ersetzt zu haben, die der Invasion der Yuuzhan Vong nicht gewachsen war. Imperiale Superwaffen, imperialer Zentralismus und imperiale Disziplin hätten es wohl vermocht die Massaker der Vong zu vermeiden. Doch zu welchem Preis? Selbst dieser Preis schien in den Augen der Nachgeborenen angesichts der gewaltigen Zerstörung durch die extragalaktischen Invasoren vertretbar gewesen zu sein. Gerade die überlebende Bevölkerung Coruscants hatte ja am meisten gelitten, immerhin wurde der Planet von den Vong in Besitz genommen und einem massiven Terraforming unterworfen. Eine von Importen abhängige Welt wie Coruscant, konnte nicht evakuiert werden und die Überlebenden konnten sich kaum versorgen. Die Vong wiederum neigten dazu Kriegsgefangene und Zivilisten ihren Göttern zu opfern, so dass man sich schon vorstellen kann, warum Coruscant einige Jahre nach Kriegsende während des Wiederaufbaus zu einem Hort faschistischer und neo-imperialer Bewegungen wurde. Der kometenhafte Aufstieg eines Kriegshelden wie Colonel Jacen Solo, der selbst von den Vong gefoltert und auf Coruscant festgehalten worden, kam dann nicht unerwartet. Man darf gespannt sein, wie sich die kanonische Galaxis damit zurechtfindet, dass die Neue Republik Däumchen drehend zugesehen hat, wie die Erste Ordnung ein ganzes Sonnensystem vernichtete und dann mehr oder weniger die halbe Galaxis eroberte. Nur waren es diesmal eben keine Aliens, sondern genau jene Imperialen, die sich sonst zusammengeschlossen hätten, um eine Rückkehr zu imperialen Traditionen zu fordern. Ich bin also sehr gespannt auf den Zustand der Galaxis nach Exogol.