Schon bevor 1999 der erste Prequel-Film erschien und uns den Jedi-Orden in seiner späten Blüte zeigte beschäftigte man sich seit anfang der 90er-Jahre mit dem "neuen Jedi-Orden" Luke Skywalkers. Doch kaum gab es die Prequels musste das Bild des Jedi-Ordens zurechtgerückt werden und dieser Artikel versucht ein Bild dieses Retcons zu vermitteln.
Es war also einmal vor langer Zeit im Expanded Universe...
...da hatten die Autoren, welche Star Wars über Episode VI hinaus fortführten keine Vorgaben wie der Jedi-Orden in seiner neuen und alten Form aussehen sollte. Also entstanden Werke wie die Tales of the Jedi (in der deutschen Übersetzung: die Jedi-Chroniken) oder Romane wie die Jedi Academy-Trilogie, welche vor allem von den Vorstellungen eines gewissen Kevin J. Anderson geprägt waren. Anderson war der Co-Autor und später alleinige Autor der Tales of the Jedi-Comics und vor allem war er auch der Jedi Academy-Trilogie und des Romans Darksaber. In den späten 90ern schrieb Anderson zusammen mit seiner Gattin Rebecca Moesta sogar die Jugendbücher der Young Jedi Knights-Reihe, welche Jacen und Jaina Solo als künftige Erben der Protagonisten-Rolle im Expanded Universe vorzubereiten schien.
Man könnte es sich jetzt bequem machen und Anderson die Schuld daran geben, dass später mehrere Retcons zur Geschichte und Entwicklung des Jedi-Ordens notwendig wurden. Aber Anderson hatte seinerzeit keine andere Möglichkeit und George Lucas verwarf Anderons Beschreibungen auch nicht. Die eigentliche Schuld liegt meiner Meinung nach bei jenen Autoren, die es nach den Prequels als notwendig erachteten Lucas Konzept eines Jedi-Rats und Jedi-Tempels auf Coruscant auch in früheren und späteren Jahrhunderten des Expanded Universe durchzusetzen. Die Entwicklung zu einem Zentrum des Jedi-Ordens auf Coruscant hätte eine natürliche Folge der engen Verbindung des Ordens mit der Republik sein können, welche über Jahrtausende nicht ohne Folgen blieb. In der Nach-Endor-Ära traf man noch die meiner Meinung nach beste Lösung, indem man während der NJO-Serie (die 19 Bände der The New Jedi Order bzw. Erbe der Jedi-Ritter-Reihe) darlegte, dass Luke Skywalkers Führungsrolle im Jedi-Orden umstritten war und Luke sich keine Administration aufgebaut hatte. Andere Jedi-Meister wie Kyp Durron trieben daher ungehindert ihr Unwesen als wilde Jedi und Anhänger einer nicht immer unproblematischen Form von Selbstjustiz. Skywalker schuf seinen Jedi-Rat aus diesem einfachen Grund, er musste die Jedi auf eine Linie bringen und eine Zersplitterung des Ordens vermeiden. Genau das könnte auch die Jedi der Alten Republik dazu gebracht haben einen Jedi-Rat zu gründen und einen zentralen Tempel zu errichten.
Nur es war eben nicht so, denn kaum war Episode I erschienen schrieb man die Geschichte einfach um und ließ immer wieder einen Jedi-Rat in der galaktischen Geschichte in Erscheinung treten, der in den Tales of the Jedi völlig abwesend ist. Während ich BioWares Knights of the Old Republic noch zugute halte, dass man sich diesem Trend widersetzte, indem man Jedi-Enklaven ins Spiel brachte und diesen ihren eigenen "Jedi-Rat" aus den ortsansässigen Meistern gewährte, ärgere ich mich darüber, dass Obsidian in KotoR II einfach das Konzept eines Jedi-Rats auf Coruscant übernahm und das EU damit zu Jahren der eskalierenden Retcons verdammte. BioWare hatte noch versucht möglichst viele Elemente der Tales of the Jedi zu übernehmen, wie etwa Freedon Nadd oder Vima Sunrider. Aus verschiedenen Gründen musste man diese beiden Verbindungen mit den Tales jedoch kappen, Freedon Nadd wohl aus lore-technischen Gründen, Vima Sunrider (die Tochter Nomi Sunriders und Schülerin Ulic Qel-Dromas) fiel jedoch einen Rechtsstreit um den Namen Sunrider zum Opfer. Ansonsten wäre Bastila Shan niemand geringeres als Vima Sunrider geworden. Ich persönlich trauere diesen Umstand immer noch nach, wie auch der Einstellung des Vima Sunrider-Romans MANDORLA, der Vimas Geschichte vor KotOR und dem Ausbruch der Mandalorianischen Kriege behandelt hätte. MANDORLA war 2012 leider eines der vielen Opfer des Verkaufs von Lucasfilm an Disney und das obwohl das EU erst 2014 zu Gunsten eines Reboots verworfen wurde. Fun Fact, die in Dark Empire und der Jedi Academy-Trilogie vorkommende Ex-Jedi Vima-Da-Boda war eine Nachfahrin Vima Sunriders, wobei es bis zu einem gewissen Zeitpunkt sogar möglich gewesen sein könnte, dass sie als eine mehrere Jahrtausende alte Vima Sunrider gedacht war, weshalb sie auch mental angeschlagen wirkte und von sich in der dritten Person sprach. Ein weiteres Opfer des Disney-Deals war die geplante SWORD OF THE JEDI-Trilogie, in welcher sich Jedi-Meisterin Jaina Solo womöglich dazu entschlossen hätte eine Jedi-Enklave im Rest-Imperium zu eröffnen, aus welcher dann die Imperialen Ritter der Fel-(Solo-)Dynastie hervorgegangen wären.
Ableger des Jedi-Ordens, welche ihren eigenen Tempel, sowie ein eigenes Trainingsprogramm besitzen waren das einzige, was trotz der Prequelisierung der Alten Republik überleben konnte. Neben Dantooine wurde so in den Knights of the Old Republic-Comics von John Jackson Miller (der allerdings keine Beziehung zu BioWare besaß und den Plot seiner Comics während der mandalorianischen Kriege ansiedelte) auch Taris Sitz einer Jedi-Enklave. Später wurde auch die Unabhängigkeit des corellianischen Jedi-Meisters Nejaa Halcyon als Anlass genutzt den corellianischen Jedi ihre Eigenheiten und eine Teil-Unabhängigkeit vom Jedi-Orden zuzugestehen. The Old Republic trieb das sogar auf die Spitze, indem die grünen Jedi von Corellia als unabhängiger corellianischer Jedi-Orden etabliert wurden.
Bliebe noch die unvollendete Origin-Story zur Geschichte des Jedi-Ordens zu erwähnen, die Comicreihe DAWN OF THE JEDI, welche mehr oder weniger ebenfalls ein Opfer des Disney-Reboots wurde. DAWN OF THE JEDI verband die mysteriösen Tho Yor-Schiffe der der "Macht-Götter" aus The Clone Wars mit der Versammlung verschiedenster Machtnutzer-Kulturen der Galaxis. Die Zusammenkunft der verschiedensten Machtnutzer und ihre gemeinsame Gründung des Jedi-Ordens galt schon vor DAWN OF THE JEDI als Gründungsmythos des Jedi-Ordens, mit der Comicserie wurde diese Geschichte jedoch noch weiter präzisiert und um die mythologische "gottgewollte" Komponente ergänzt. Die Einen oder wie man sie auch immer nennen will versammelten die verschiedensten Machtnutzer auf Tython und ließen sie zur Erkenntnis kommen, dass es ihre Aufgabe wäre das Gleichgewicht der Macht zu wahren. Ganz im Sinne des Vaters also. Der auf Tython entstandene Orden war jedoch noch nicht der Jedi-Orden, sondern nannte sich Je'daii-Orden und pflegte auch eine andere Philosophie. Die Je'daii lebten im Einklang mit der Macht, allerdings nicht nur mit der hellen Seite. Je'daii waren also gezwungen auch die dunkle Seite zu nutzen und jene die sich zu sehr der hellen Seite zuwandten wurden ebenso in die Verbannung geschickt, wie jene die sich zu sehr auf die dunkle Seite einließen. Die Verbannung sollte dazu dienen durch Meditation zurück zum Gleichgewicht zu finden. Nach einigen Jahrtausenden endete dieses Streben nach dem Gleichgewicht jedoch in blutigen Konflikten, zunächst in einem Bürgerkrieg mit den nicht-machtsensitiven Bewohnern der benachbarten Welten (welche aus nicht-machtsensitiven Nachfahren der ersten Je'daii hervorgegangen waren), später kam es sogar zu einer Invasion durch die Rakata, welche zu diesem Zeitpunkt bemerkten, dass sie allmählich ihre Machtfähigkeiten und damit die Kontrolle über die von ihnen unterworfenen Spezies verloren. Der Konflikt mit den eindeutig dunklen Rakata brachte die Macht aus dem Gleichgewicht und schuf wohl jene Situation, in der es neben einer Organisation der dunklen Seite auch immer eine der hellen Seite geben musste. Die Je'daii brachen also auseinander und die Anwender der hellen Seite gründeten den Jedi-Orden, welcher allerdings nach dem sehr wahrscheinlichen Sieg über die dunklen Je'daii immer noch zu grau war, sodass es wohl auch unter den ersten Jedi zu einem Krieg zwischen den grauen Je'daii und den hellen Jedi kam. Letzteres ist eine Spekulation meinerseits, da DAWN OF THE JEDI damit endete, dass der dunkle Je'daii Daegen Lok zusammen mit dem reinblütigen Sith (auch die Sith gehörten zu den Gründern des Je'daii-Ordens und waren nach Tython verfrachtet worden) Sek'nos Rath gemeinsame Sache machen wollte, um wohl einen dunklen Je'daii-Orden zu gründen. In The Old Republic werden Daegen Lok und Sek'nos Rath nicht mehr erwähnt, ebenso wie die Je'daii, als Grund für den Rückzug der Jedi von Tython wird jedoch ein Macht-Krieg genannt, der mit dem in DotJ eingeführten Meister Rajivari ausbrach. Rajivari war zunächst einer der Mitbegründer des Jedi-Ordens, verfiel jedoch später auf eine vergleichsweise dunklere Ideologie und entfachte mit seinen Anhängern wohl einen neuen Bürgerkrieg (diesmal unter den Jedi und nicht mehr den Je'daii), bei dem es meiner Ansicht nach darum ging, dass Rajivari wohl zu den graueren (und damit auch dunkleren) Konzepten der Je'daii zurückkehren wollte. Immerhin war Rajivari einer der Generäle im Krieg gegen die Rakata gewesen und er hatte wohl schon vorher im Despotenkrieg gegen die Nicht-Machtsensitiven gedient.
Auch die Je'daii und der frühe Jedi-Orden besaßen bereits einen Jedi-Rat, wobei anzumerken ist, dass DotJ erst lange nach den Prequels veröffentlicht wurde. Man bewegte sich also nicht bloß in der Tradition des Prequel-Retcons, sondern versuchte diesen auch etwas zu entschärfen, denn der Je'daii-Rat war keine derart ausgereifte Institution wie in den Prequels. Die Ratsmitglieder waren allesamt die jeweiligen Tempelmeister, also die Vorsteher der verschiedenen Tempel auf Tython, welche unterschiedliche Aspekte der Je'daii-Ausbildung und -Kultur umfassten. Der Je'daii-Rat betrieb demnach auch keine völlig eigenständige Politik, sondern er trat nur in Anlassfällen zusammen, weshalb auch kein Großmeister eingesetzt wurde. Das Amt des Jedi-Großmeisters ist eine weitere Kreation aus den Prequels und sie passte zwar sehr natürlich zum Gründer des neuen Jedi-Ordens, Luke Skywalker, aber sie führte auch einige Probleme in die Darstellung des Jedi-Ordens ein. Luke führte den Orden durch sein schieres Charisma und den Umstand, dass er fast alle Jedi-Meister noch selbst ausgebildet hatte, genauso wie Yoda eben seine Hand in der Ausbildung fast aller Mitglieder des Jedi-Rats gehabt hatte. Doch in manchen Darstellungen wurden der Jedi-Orden und auch der Jedi-Rat auf die Rolle von hirnlosen Gefolgsleuten reduziert, welche einfach ihrem Großmeister folgten. Sowohl KotOR I, als auch KotOR II kamen noch ohne einen solchen Großmeister aus und zeigten einen deutlich demokratischeren Jedi-Rat. Der föderale Jedi-Orden aus den Tales of the Jedi wurde mit den Jahren immer zentralistischer dargestellt und dazu zählt auch das Bild welches The Old Republic vermittelt, denn ohne einen Großmeister scheint der Jedi-Orden zu diesem Zeitpunkt nicht mehr auszukommen. Nomi Sunrider, die ihrerseits einst den Orden refomiert hatte agierte wohl auch als Großmeisterin, aber sie tat das aufgrund ihres Charismas und ihrer Rolle als Anführerin, nicht aufgrund eines institutionalisierten Amtes.
Interessanterweise zeigte die letzte große Buchreihe in den Star Wars Legends noch zu welchen Problemen die Existenz des Großmeister-Amts und die Zahnlosigkeit des Jedi-Rats führen können. In FATE OF THE JEDI (dt. Verhängnis der Jedi-Ritter) wurde Luke Skywalker offiziell zum Rücktritt gezwungen und ins Exil geschickt, da er für die Verbrechen seines Neffen Jacen Solo (aka Darth Caedus) und dessen Handlangerin Tahiri Veila verantwortlich gemacht wurde. Lukes Jedi-Orden unterstellte sich zu diesem Zeitpunkt nicht nur der Justiz der Republik, sondern beugte sich auch den politischen Wünschen der Staatschefin. Ich würde behaupten das man dadurch 1:1 die Verhältnisse kurz vor Order 66 wiederhergestellt hatte und das nur einige Jahrzehnte nachdem Luke den Orden neu aufgebaut hatte. Hoffentlich kann man meine Enttäuschung über diesen Umstand verstehen. Anstatt den Jedi-Rat und einst rebellische Meister wie Kyp Durron zu stärken, führte Lukes Rücktritt nun dazu, dass der völlig blasse Marionetten-Großmeister Kenth Hamner mit voller Amtsgewalt quasi wie ein Diktator über den Jedi-Orden verfügen konnte. Kein Ratsmitglied begehrte auf und keiner dieser weisen, erfahrenen und kampferprobten Jedi-Meister schlug Alternativen zu Kenth Hamner vor. Hamner führte den Orden in eine totale und selbstzerstörerische Abhängigkeit von Staatschefin Daala, die ungeachtet von Hamners Speichelleckerei den Tempel des Ordens auf Coruscant sogar durch mandalorianische Söldner überwachen, blockieren und schließlich belagern ließ. Hamners Politik führte schließlich zu einer der notwendigsten, aber auch unerklärlichsten Szenen in der Geschichte des neuen Jedi-Ordens, er wurde in einem Duell von seiner Ratskollegin Meisterin Saba Sebatyne ermordet. Es wäre leicht gewesen Hamner durch einen Ratsbeschluss abzusetzen oder sogar aus dem Rat auszuschließen, aber nein, Kenth Hamner musste in einem völlig unnötigen und relativ emotionslosen Duell sterben. Business as usual? Saba Sebatyne und Kyp Durron hätten als heißblütige Querdenker doch sicher andere Wege finden können. Den Jedi-Rat auf die Rolle von Beratern des Großmeisters reduziert zu sehen hat meine Begeisterung für den neuen Jedi-Orden gebrochen, aber das enttäuschende Beispiel dieser Ära schien leider auch auf andere Inkarnationen des Jedi-Ordens abgefärbt zu haben. Bedingungsloser Gehorsam ist ein echtes Problem des Jedi-Ordens geworden, ein Problem das sich so mancher Sith-Lord jedoch wünschen würde.