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Ein kurzer Jahresrückblick

Es sind nur noch ein paar Stunden...

Bald ist 2019 so vorbei wie die Sequel-Trilogie und man muss auch von diesem Jahr nicht begeistert gewesen sein, um sich auf die Zukunft zu freuen. 2019 markiert das Ende einer Ära, für die meisten natürlich die eines Jahrzehnts, wobei diese Einteilung meiner Meinung nach sehr künstlich gewählt ist. Zumindest ist 2019 das Ende all dessen gewesen, was in diesem Jahr auch abgeschlossen wurde und für Star Wars ist das einiges. 2020 beginnt mit einem Neustart gleich mehrerer Comicserien und erstmals seit der Übernahme durch Disney wird es 2020 keinen Star Wars-Film oder Themenpark zu bewerben geben (wenn man  2014 als Jahr des Kahlschlags im Expanded Universe als Stunde 0 annimmt), dafür wird aber eine finale Staffel von The Clone Wars nachgereicht werden und nach der zweiten Staffel von THE MANDALORIAN wird man sich wohl Neuigkeiten zu den anderen Serienprojekten und einem möglichen Sequel zu Jedi: Fallen Order erwarten dürfen. Auf gewisse Weise ist das Franchise 2020 wieder da wo es auch 2006 war, in einer Cooldownphase, während der Star Wars für Casual-Kinobesucher ziemlich tot aussehen wird. Ich wage zu behaupten, dass sich für 2020 zwangsläufig auch der Fokus von Lucasfilm ändern wird, weil man nicht mehr mit ziemlich sicheren Umsätzen an der Kinokasse rechnen kann. Indem man Star Wars so etwas aus dem Licht der Öffentlichkeit rückt verliert man natürlich auch etwas den Kontakt zur gewohnten PR-Maschinerie, die sich in den letzten Jahren so fürsorglich um die Politisierung des Fandoms bemüht war. Als jemand der selbst mal Marketing studiert hat bin ich gespannt wie jene Lucasfilm-Vertreter, die bis 2019 Fanboy-Tränen tranken und davon sprachen, das Fandom nicht mehr zu benötigen (was beim Erfolg an den Kinokassen und der Orientierung an einem Mainstream-Publikum auch gerechtfertigt werden konnte) nun damit umgehen werden, dass man nicht mehr mit dem jährlichen finanziellen Erfolg eines Blockbusters rechnen kann. Bei der Vermarktung eines Films mag es von Vorteil gewesen sein mit Traditionen zu brechen, Kontroversen zu erzeugen und durch politische Statements bei den professionellen Filmkritikern und Kultur-Journalisten um Pluspunkte zu werben. Was Lucasfilm für 2020 im Angebot hat wird jedoch kaum dafür sorgen sich die gewohnte mediale Aufmerksamkeit zu verschaffen. THE MANDALORIAN ist sicher gut gelungen, doch durch den Exklusivzugang durch Disney+ auch nur einem eingeschränkten Publikum zugänglich. Es gibt schon gute Gründe dafür, dass man als Serienstar von der journalistischen Avantgarde nicht auf eine Stufe mit Filmschauspielern gestellt wird, es sei denn die Serie entwickelt sich zu einem beeindruckenden kulturellen Phänomen wie Game of Thrones. Als reine Genre-Serie und "Liebeserklärung an die Fans" ist THE MANDALORIAN jedoch ein viel zu kleiner Fisch, um große Wellen zu schlagen. 2020 wird wieder ein Jahr der Fans, indem das Star Wars-Franchise von den Leuten leben muss, die weiterhin Geld in das Merchandise pumpen.

 

Was mich für 2020 optimistisch stimmt ist, dass man 2019 durchaus einige mutige Dinge gewagt hat, wie JEDI: FALLEN ORDER oder DOOKU: JEDI LOST. Sowohl das Game, als auch das Hörspiel beschäftigten sich mit Geschichten, die man ja auch weiterhin für eventuelle Film- oder Serienprojekte reserviert haben könnte. Doch es scheint so, als dürfte es nun auch abseits der Filme und Serien interessante Storylines und vor allem einiges an spannendem World Building geben. Beide Werke haben viel zur neuen Kontinuität beigetragen. Für mich am spannendsten war allerdings DOOKU: JEDI LOST, da in diesem Hörspiel erstmals auf Count Dookus Origin-Story eingegangen wurde. In den Legends gab es zwar ein Jugendbuch namens Legacy of the Jedi welches ebenfalls Dookus Padawan-Zeit und seine früheste Begegnung mit der dunklen Seite darstellte, aber eine durchgehende Biografie Dookus wurde bis heute nicht vorgelegt. Dooku: Jedi Lost ist in meinen Augen der erste Band einer solchen Biografie, doch das Werk reicht nur bis zu Dookus Austritt aus dem Jedi-Orden, der mehrere Jahre vor Episode I zu liegen scheint. Vielleicht bestünde also noch eine Chance für einen zweiten Teil von Dookus Lebensgeschichte, am besten aus der Feder James Lucenos, der auch schon TARKIN und vor allem DARTH PLAGUEIS geschrieben hat. Der Plagueis-Roman wurde dabei sogar zu einer inoffiziellen Darth Sidious-Biografie, welche dessen Lebensgeschichte von seinen ersten politischen Verschwörungen auf Naboo bis zu den Tagen vor seiner Wahl zum obersten Kanzler erzählte. 2019 hat mir Hoffnung gegeben.

 

Spannend fand ich daher auch Claudia Grays MASTER AND APPRENTICE, welches Dooku zwar nur erwähnte, aber seine beiden sehr unkonventionellen Ex-Padawane Qui-Gon Jinn und Rael Aveross enthielt. Rael Aveross ist ebenfalls eine Neukreation für den Kanon und in meinen Augen eine der mutigsten, da Rael weitab des üblichen Jedi-Ideals existiert. Rael Aveross ist nicht bloß ein eigensinniger Jedi-Meister wie Qui-Gon, sondern ein Rebell, der mich mit seinem Auftreten auch daran erinnert wie Quinlon Vos in den Legends dargestellt wurde. Bisher wissen wir auch noch nicht, was aus Rael Aveross wurde, zumal er eine Art Onkel für Obi-Wan Kenobi gewesen sein könnte. Rael Aveross hat meiner Meinung nach aber auch einen der einprägsamsten Retcons des neuen Kanons inspiriert, nämlich Qui-Gons Frage an Shmi Skywalker wer denn der Vater Anakins gewesen ist. Bis 2019 wirkte diese Frage noch ziemlich harmlos und unschuldig, doch seit der Einführung von Rael Aveross und dessen Erklärung Jedi wären Affären durchaus erlaubt, solange man nicht anhänglich wird, fragt man sich wo und wie Rael Aveross und Shmi Skywalker in Qui-Gons Vorstellung wohl "zueinander gefunden" haben könnten. Immerhin war Shmi Skywalker vor Anakins Geburt noch eine Sklavin Gardulla the Hutts. Rael war ja durchaus dafür bekannt sich in billigen Bars herumzutreiben, Death sticks zu konsumieren und generell nicht allzu viel auf die moralische Überlegenheit des Jedi-Ordens zu geben. Wobei er auch nicht der einzige Jedi dieser Art gewesen sein muss. Die Implikationen hinsichtlich eines One-Night-Stand-Champions, der in der ganzen Galaxis machtsensitiven Jedi-Nachwuchs gesät haben könnte sind alles andere als kinderfreundlich, ganz im Gegensatz zum sauber gewaschenen kanonischen Quinlan Vos aus The Clone Wars. Nach der Erwähnung von Prostitution auf Ryloth in Paul S. Kemps LORDS OF THE SITH und Rael Aveross Plädoyer für kodexkonforme One-Night-Stands in MASTER AND APPRENTICE bin ich gewillt die bei Del Rey erscheinenden kanonischen Star Wars-Romane im Vergleich zu ihren Legends-Vorgängern als erkennbar weniger "sauber" zu bezeichnen. An sich mag das einen europäischen Leser wohl wenig beeindrucken, aber wenn man bedenkt zu welcher Empörung das US-Pulibkum fähig ist... vor allem wenn es einen US-Verlag betrifft, dann bin ich beeindruckt von Del Reys Bereitschaft dieses Risiko eines möglichen Shitstorms einzugehen. Ich erinnere mich sogar noch daran wie die gleichgeschlechtlichen Romanzen im SWTOR-Addon RISE OF THE HUTT CARTEL von rechter Seite zu Empörung über den Regenbogen oder gay planet Makeb zu führten. Aber vielleicht ist unehelicher Geschlechtsverkehr für US-Konservative weniger jugendgefährdend als gleichgeschlechtliche Beziehungen, was allerdings auch von der Deutlichkeit dieser abzuhängen scheint. Da fiele mir ja auch das Beispiel von Moff Delian Mors ein, die ebenfalls in LORDS OF THE SITH eingeführt wurde. Dass Moff Mors eine Frau war sollte noch den meisten Lesern aufgefallen sein, da sie auch als solche beschrieben wurde. Der Umstand, dass Mors jedoch nach dem Tod ihrer GATTIN verwitwet und in eine Depression geschlittert ist konnte man ja schon überlesen.

 

Während mich Quinlan Vos in seiner kanonischen Variante eher stört und der Grund ist, warum ich die Kanonisierung von Legends-Charakteren mittlerweile eher ablehnen würde, ist Rael Aveross für mich ein Beispiel dafür, warum es besser wäre in der neuen kanonischen Kontinuität ganz einfach neue Charaktere zu erschaffen. Kanonisierung ist für mich ein heißes Eisen, das ich nur dann befürworten würde, wenn man dadurch einen Charakter verbessern oder vertiefen kann. Legends-Dooku war meiner Meinung nach zu blass, doch auch der vertiefte Kanon-Dooku kann unter Umständen in kommenden Werken noch stark von meinen Vorstellungen und Interpretationen abweichen, die ich mir über die Jahre aufgrund des mangelnden Quellenmaterials zurechtgelegt habe. Kanonisierung birgt immer dieses Risiko und da wäre es durchaus hilfreich die Vergleichbarkeit zu untergraben, indem man einen Legends-Charakter einfach unter neuen Namen und mit veränderter Hintergrundgeschichte einführt. Antinnis Tremayne oder der bisher noch namenlose Großinquisitor aus dem neuen Kanon, wer gefiel einem in der Rolle des Vollstreckers der Jedi-Verfolgung besser? Gerade bei  solchennur in Kurzgeschichten oder gar lediglich in Lore-Guides eingeführten Hintergrundcharakteren fände ich eine Kanonisierung noch mit dem geringsten Risiko verbunden.

 

Mit dem Ende der Sequel-Trilogie hoffe ich auch, dass es 2020 mehr Informationen zur Lore oder dem Schicksal bestimmter Organisationen wie den Inquisitoren geben wird, da diese Geschichten nun nicht mehr wegen eines Filmplots aufgespart werden müssen. Was den Reiz am Expanded Universe für mich ausmachte war die Kontinuität und Verbindungen zwischen den einzelnen Werken, so dass etwa ein Charakter aus SHATTERPOINT in den CORUSCANT NIGHTS Romanen auftauchen konnte. Man muss nicht das Rad für jede Geschichte neu erfinden, sondern kann sich auch auf bereits etablierte Charaktere oder Organisationen stützen.